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Politik: Obdachloser zu Tode geprügelt Staatsanwaltschaft sieht aber Hass nicht als Motiv

Berlin - Zum zweiten Mal in diesem Jahr gerät die Staatsanwaltschaft Leipzig wegen einer Anklage in die Kritik. Die Behörde kann im Fall des gewaltsamen Todes eines Obdachlosen in der Kleinstadt Oschatz bei den Angeklagten kein Tatmotiv erkennen, hält aber Hasskriminalität gegen vermeintlich „Asoziale“ für unrealistisch.

Von Frank Jansen

Berlin - Zum zweiten Mal in diesem Jahr gerät die Staatsanwaltschaft Leipzig wegen einer Anklage in die Kritik. Die Behörde kann im Fall des gewaltsamen Todes eines Obdachlosen in der Kleinstadt Oschatz bei den Angeklagten kein Tatmotiv erkennen, hält aber Hasskriminalität gegen vermeintlich „Asoziale“ für unrealistisch. „Es scheint eher nicht so zu sein, dass Rechtsextremismus oder Verachtung für Obdachlose eine Rolle gespielt haben“, sagte Oberstaatsanwalt Ricardo Schulz jetzt dem Tagesspiegel. Möglicherweise ergebe sich ein Motiv „aus Beziehungen der Angeklagten zu dem Opfer“. Die Staatsanwaltschaft hatte die Anklage bereits im August erhoben, die Öffentlichkeit wurde erst diese Woche informiert.

Die Linksfraktion im sächsischen Landtag ärgert sich: „Es ist eine Unverschämtheit gegenüber der Öffentlichkeit, kein Tatmotiv nennen zu können, aber Rechtsextremismus auszuschließen“, monierte die Abgeordnete Kerstin Köditz. Die Staatsanwaltschaft wirft fünf Männern im Alter von 16 bis 27 Jahren vor, am Abend des 26. Mai am Oschatzer Südbahnhof den 50-jährigen André K. durch Schläge und Tritte gegen Kopf und Oberkörper schwer verletzt zu haben. Das Opfer starb vier Tage später im Krankenhaus. Die Staatsanwaltschaft spricht von Totschlag und bei einem weiteren Angeklagten von unterlassener Hilfeleistung. Nach Recherchen der Linksfraktion zählt zumindest ein Angeklagter zur rechten Szene. Im Internet kursiert auch ein Foto, auf dem der nahezu kahlköpfige Mann unter einer Reichskriegsflagge zu sehen ist.

Im Frühjahr musste die Staatsanwaltschaft bereits Kritik einstecken, weil sie im Fall des in Leipzig von zwei Rechtsextremisten getöteten Irakers Kamal Kilade auch kein rechtes Motiv erkennen konnte. Das Landgericht Leipzig sah aber eine ausländerfeindliche Tat und verurteilte im Juli den Haupttäter wegen Mord zu 13 Jahren Haft. Die sächsische Polizei will den Fall als rechtes Tötungsverbrechen dem Bundeskriminalamt melden. Damit steigt die offizielle bundesweite Zahl der Todesopfer rechter Gewalt seit der Wiedervereinigung auf 48. Nach Recherchen des Tagesspiegels starben jedoch mindestens 138 Menschen durch Attacken Rechter. Frank Jansen

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