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OECD-Studie: Deutsches Schulsystem versagt bei Integration

Eine neue OECD-Studie stellt dem deutschen Schulsystem ein mangelhaftes Zeugnis aus: Wie kein anderes Schulsystem in vergleichbaren Industrienationen versagt es bei der Förderung von Migrantenkindern.

Berlin - Während sich in nahezu allen anderen Staaten die Schulleistungen von Zuwandererkindern mit Dauer des Aufenthaltes ihrer Familien verbessern, werden sie in Deutschland deutlich schlechter. Dies geht aus der am Montag in Berlin vorgestellten Untersuchung hervor. Basis für die Studie, bei der 17 Staaten verglichen werden, sind Daten aus dem weltweiten PISA-Schultest 2003.

Dabei seien die untersuchten 15-jährigen Migrantenkinder in Deutschland wie in den anderen Staaten "hochmotiviert" und zeigten "ein hohes Maß an Lerninteresse", sagte die Bildungsdirektorin der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Barbara Ischinger. Eine Ursache für das schlechte deutsche Abschneiden sieht Ischinger in der weltweit nur noch in Deutschland üblichen frühen Aufteilung von zehnjährigen Schülern auf verschiedene Schulformen und in der Konzentration von Ausländer- und Problemkindern in den Hauptschulen.

Nach dem weltweiten Vergleich sind nahezu nur in Deutschland die Schulleistungen der bereits hier geborenen so genannten zweiten Migranten-Generation deutlich schlechter als die von Ausländerkindern, die zusammen mit ihren Eltern eingewandert sind und noch einen Teil ihrer Schulzeit im Heimatland verbracht haben. Dies gibt es ansonsten nur noch in Dänemark und dem flämischen Teil Belgiens, allerdings weitaus nicht in dem Maße wie in Deutschland.

Als "gravierend" wird herausgestellt, dass in Deutschland mehr als 40 Prozent der Migrantenkinder der zweiten Generation nicht über die untersten Kompetenzstufen in Mathematik und Lesen hinauskommen. Sie hätten erhebliche Probleme im späteren Berufsleben.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) räumte ein, dass in deutschen Schulen "zu spät" das Integrationsziel aufgegriffen worden sei. Sie kündigte eine "Gesamtstrategie" von Bund und Ländern an. Die Sprachförderung müsse vor allem im Kindergarten erheblich verstärkt werden, forderte Schavan wie die Intergationsbeauftragte Maria Böhmer (CDU) und auch Berlins Schulsenator Klaus Böger (SPD) für die Kultusminister. Schavan bot den Ländern Gespräche "über eine zweite Phase des Ganztagsschulprogrammes" an, bei dem Integrationsförderung ein Kriterium sein könne.

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sagte in München, ausländische Eltern, die ihre Kinder nicht an Deutschkursen teilnehmen ließen, müssten künftig "mit staatlichen Konsequenzen" rechnen. Der OECD-Bericht bestätige die Initiative Hessens und Bayerns "für das Prinzip Deutsch vor der Einschulung".

Problem Sprachförderung

Besonders extrem ist laut Studie der Leistungsabstand zwischen Migrantenkindern und gleichaltrigen Einheimischen, wenn in der Ausländerfamilie nicht deutsch gesprochen wird. Schüler aus Migrationsfamilien liegen dann in Mathematik im Schnitt mit ihren Leistungen drei Jahre hinter diesen Jugendlichen zurück - der mit Abstand schlechteste Wert von allen untersuchten OECD-Staaten. Noch deutlicher als in Mathematik fällt der Leistungsunterschied in der Schlüsselkompetenz Lesen/Textverständnis aus.

Die OECD-Studie räumt nach den Worten von Ischinger mit dem Vorurteil auf, dass ein hoher Anteil von Migrantenkindern den Integrationsprozess erschwert. So erzielen Länder mit weitaus höheren Migrantenzahlen als Deutschland, wie etwa Luxemburg, Australien, Schweiz, Kanada oder Neuseeland, deutlich bessere Werte bei ihren Integrationsbemühungen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nannte die Studie "ein erschreckendes Zeugnis einer verfehlten Schul- und Integrationspolitik". Der Philologenverband forderte mehr Sprachförderung, die Türkische Gemeinde in Deutschland mehr Ganztagsangebote. (tso/dpa)

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