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Politik: Özdemir warnt vor Antisemitismus von Muslimen

Judenfeindliche Straftaten junger Migranten binnen eines Jahres verdoppelt / Broschüre soll aufklären

Berlin - Manche Lehrer ignorieren es, andere sind hilflos: Antisemitisches Gedankengut ist gerade unter jungen Muslimen weiter verbreitet, als viele annehmen. Das geht aus einer Handreichung der Amadeu-Antonio-Stiftung hervor, die am Montag vorgestellt wurde. „Die Juden sind schuld – Antisemitismus in der Einwanderungsgesellschaft am Beispiel muslimisch sozialisierter Milieus“, so der Titel. Die Stiftung beschäftigt sich mit rechtsextremer Alltagskultur und ist benannt nach einem Angolaner, der 1990 von jungen Rechtsextremen in Brandenburg totgeprügelt wurde.

„Antisemitismus unter Muslimen ist auch ein ernstzunehmendes Problem“, sagte dazu Grünen-Chef Cem Özdemir. „Antisemitische Denkweisen gibt es nicht nur am rechten Rand, sondern auch bei männlichen arabischen, türkischen und kurdischen Jugendlichen.“ Laut Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung ist das Problem „seit dem jüngsten Krieg um Gaza wieder deutlicher geworden“. Angriffe auf jüdische und israelische Einrichtungen in ganz Europa hätten antisemitische Tendenzen erneut gezeigt. „Manche denken, gegen Antisemitismus kann man nichts machen“, sagte Kahane. Die 96 Seiten starke Broschüre soll dagegenhalten. Sie klärt auf, wo und wie sich Antisemitismus in türkischen und arabischen Milieus zeigt und wie darauf reagiert werden kann.

Laut Kriminalitätsstatistik wurden 2006 88 antisemitische Straftaten von muslimischen Tatverdächtigen begangen – 100 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Autoren der Broschüre verweisen auch auf eine Studie im Auftrag des Bundesinnenministeriums von 2007, in der eine „substanzielle Minderheit“ von 500 befragten muslimischen Schülern antisemitischen Vorurteilen „in einem hohen Maße zustimmen“. Insgesamt wurden in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres in Deutschland fast 300 antisemitische Straftaten registriert, wie aus einer am Montag veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Links-Fraktion hervorgeht.

Laut Kahane belegen Alltagsbeobachtungen, dass Antisemitismus unter Muslimen kein männliches Phänomen ist. Auch Mädchen und Frauen äußerten sich verächtlich. Kahane fordert daher mehr Aufklärung „und vor allem mehr Forschung“. Bislang wisse man überhaupt nicht, wie viele Muslime und weshalb zu judenfeindlichen Äußerungen neigen.

Ferda Ataman

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