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Politik: Oh du Fröhlicher

Der Kanzler feiert seine Reformen – zurück bleibt ein trauriges Grüppchen von Gewerkschaftern und Alt-Linken

SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler feiert auch am Tag nach der Großabstimmung im Bundestag noch seinen Regierungschef. „Das Stehvermögen des Kanzlers hat die Rahmenbedingungen dieses Landes verändert“, sagt Stiegler. Der Kanzler selbst feiert seine Regierung am Samstag in ganzseitigen Anzeigen – und denkt derweil laut darüber nach, welche Rahmenbedingungen er im nächsten Jahr noch so alle ändern könnte. Doch zurück bleibt ein trauriges Grüppchen früherer Freunde, für die die Rahmenbedingungen auf einmal ganz mies geworden sind.

Es war vielleicht das härteste Jahr für die deutschen Gewerkschaften seit dem Ende des Krieges. Kein Wunder, dass viele Arbeiterbosse dieser Tage Klagelieder statt „Oh Du Fröhliche“ anstimmen. Der IG-Bau-Chef Klaus Wiesehügel etwa beschwert sich noch am Tag danach, dass die Arbeitsmarktreformen „unzumutbar“ seien und statt der erhofften Arbeitsplätze nur Unsicherheit für Millionen Beschäftigte brächten. Auch das verabschiedete Finanzpaket sei unsozial, weil es vor allem den Besserverdienenden zu Gute komme. In diese triste Gewerkschaftsstimmung passt ganz gut, wenn der SPD-Fraktionslinke Michael Müller, just jetzt das Zeitalter der sozialen Marktwirtschaft für beendet erklärt. „Das, was mal soziale Marktwirtschaft in Deutschland und Europa war, existiert nicht mehr“, sagt Müller. An dessen Stelle habe sich eine „Wirtschafts- und Unternehmensverfassung“ durchgesetzt, die mit den Prinzipien des Ausgleichs nicht mehr vereinbar sei. Die Gewerkschaften beklagen diese Entwicklung schon lange.

Da ist es fast eine Sensation, wenn einer aus der Riege der traurigen Bosse ausbricht und statt der Rücknahme von Reformen noch viel mehr Reformen verlangt. Hubertus Schmoldt, der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, hofft nun, dass „die zugesagten positiven Impulse“ der Agenda 2010 spürbar werden. Dann werde es auch Akzeptanz für weitere Reformen, etwa bei der Gesundheit, der Rente oder der Bildung geben, prophezeit Schmoldt. Jetzt müsste er eigentlich nur noch die Kollegen von seinem Optimismus überzeugen.

Markus Feldenkirchen

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