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Politik: Ohne ein Zeichen

Es gibt viele Theorien zum Schicksal der zwei Geiseln im Irak – wie es ihnen wirklich geht, weiß keiner

Berlin - In der Nacht zum Freitag ist das zweite Ultimatum abgelaufen, das die Geiselnehmer der beiden Deutschen im Irak gestellt haben, doch Berlin hofft nach wie vor auf die Freilassung von Hannelore Krause und ihrem Sohn Sidan. Anfang Februar waren Mutter und Sohn aus ihrem Haus in Bagdad verschleppt worden, in bisher zwei Videobotschaften, die erste vom 10. März, die zweite von Anfang April, hat die „Brigade der Pfeile der Rechtschaffenheit“ die beiden zur Schau gestellt und unter anderem den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan gefordert. „Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass sie unversehrt und am Leben sind“, sagte Außenamtssprecher Martin Jäger am Freitag, bekräftigte aber zugleich die große Sorge der Regierung um die Geiseln. Für den Freitagnachmittag war erneut der Krisenstab im Auswärtigen Amt einberufen worden.

In Sicherheitskreisen sind inzwischen sehr viele überzeugt davon, dass die Deutschen nicht von Kriminellen, sondern von politisch motivierten Tätern gekidnappt worden sind. Das erschwert die Situation für die Geiseln und für diejenigen, die sie freibekommen wollen. Denn der Forderung, aus Afghanistan abzuziehen, kann und wird Berlin auf keinen Fall nachkommen. Die Zahlung von Lösegeld dagegen interessiert die Geiselnehmer nicht, jedenfalls gibt es dafür bisher keine Anzeichen. Abgesehen davon, dass die Bundesregierung auch betont, sich nicht erpressen zu lassen.

Zumindest bis vor einigen Tagen war es anscheinend auch nicht gelungen, direkt mit den Entführern in Kontakt zu kommen. Über Gründe kann nur spekuliert werden. Möglicherweise haben die Kidnapper selbst kein Interesse daran, was ebenfalls für eine politisch motivierte Tat sprechen würde. Vielleicht liegt es auch an der immer schlechteren Sicherheitslage in Bagdad, diese Ansicht äußerte am Freitag auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU). Die Selbstmordattentäter haben es in Iraks Hauptstadt inzwischen sogar bis in die schwer bewachte „Grüne Zone“ geschafft, in der neben Regierungsgebäuden viele ausländische Botschaften liegen. Mitten in der Kantine des Parlaments sprengte sich dort am Donnerstag ein Attentäter in die Luft.

Es wird viel spekuliert, Antworten gibt es keine. Zum Beispiel nicht darauf, ob noch weitere, noch schrecklichere Videobotschaften zu erwarten sind. Dabei waren die Bilder der weinenden Mutter und ihres wie gelähmt wirkenden Sohnes schon schwer erträglich.

Spätestens seit der Veröffentlichung des zweiten Videos Anfang April steht außerdem die Befürchtung im Raum, dass sogar zwei Terrorgruppen zusammenarbeiten. Zwei Wochen zuvor war auf derselben Internetseite, auf der das Geiselvideo veröffentlicht wurde, ein anderes Video gezeigt worden, in dem eine islamistische Gruppe Deutschland und Österreich ebenfalls zum Rückzug aus Afghanistan aufforderte – sonst drohten Anschläge im eigenen Land.

Die Amerikaner wiederum sind verärgert darüber, wie frühere Entführungsfälle gelöst worden sind. So wurde zuletzt Italiens Regierung heftig dafür kritisiert, dass sie in Afghanistan und im Irak Millionen an Kidnapper gezahlt haben soll. Auch wenn Berlin das zurückweist, sprechen Sicherheitsexperten von einem „offenen Geheimnis“, dass beispielsweise im Fall Susanne Osthoff, die 2005 im Irak entführt worden war, Geld geflossen ist. Ob nun – so lautet eine Überlegung – die USA deshalb weniger helfen als sie könnten, was die deutschen Geiseln betrifft, auch das ist eine Spekulation.

Den Angehörigen von Hannelore Krause und ihrem Sohn dürften diese Theorien gleichgültig sein – solange die beiden nur gerettet werden.

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