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Ermäßigt. Vor allem für Lebensmittel gilt der geringere Mehrwertsteuersatz. Würde er deutlich erhöht, würden das vor allem Ärmere spüren. Foto: ddp

© Daniel Roland/AP/dapd

Politik: Ohne Mehrwert

Wieder einmal wird über den ermäßigten Satz bei der Umsatzsteuer geredet Doch eine Abschaffung ist mehr als fraglich.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Sie war 2009 eines der großen Wahlkampfthemen der FDP und hat später sogar in den Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb Eingang gefunden: die ermäßigte Mehrwertsteuer. Mit knapp 24 Milliarden Euro im Jahr gehört sie zu den größten Steuersubventionen in Deutschland und wird daher immer wieder neu herangezogen, wenn Politiker über Themen wie Haushaltskonsolidierung, Steuererleichterung oder Bürokratieabbau nachdenken. Aktuelles Beispiel: eine angeblich umfangreiche Sparliste, die Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) von seinen Beamten für die Zeit nach der Bundestagswahl 2013 vorbereiten lässt und in der die Abschaffung der ermäßigten Mehrwertsteuer eine Schlüsselrolle spielen soll.

Doch wie steht es um den ermäßigten Satz der Umsatzsteuer, und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der CDU-Politiker Schäuble oder sein Nachfolger sie wirklich abschafft? In Deutschland existiert seit Jahrzehnten ein System der Mehrwertsteuerermäßigung, das teils aus sozialen, teils aus wirtschaftspolitischen Gründen geschaffen wurde. Den mit rund 75 Prozent umfangreichsten Teil stellen die Lebensmittel dar, für die in Deutschland statt der regulären 19 nur sieben Prozent Mehrwertsteuer bezahlt werden müssen. Dazu kommen Bücher, Kulturleistungen und Zeitungen, aber auch eine lange Reihe von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Union und FDP hatten auf Drängen der Liberalen 2009 im Koalitionsvertrag vereinbart, die Liste der Vergünstigungen zu prüfen und auszudünnen – freilich erst, nachdem Schwarz-Gelb ihr eine weitere Ausnahme, nämlich die Hotel-Übernachtungskosten, hinzugefügt hatte.

Schäuble hat seither nie einen Hehl daraus gemacht, dass er selbst große Sympathie für die komplette Abschaffung des ermäßigten Steuersatzes hat, allerdings politisch keinen Spielraum dafür sieht. Schließlich würde die Verteuerung von Lebensmitteln, die bei einer Abschaffung des ermäßigten Satzes zwangsläufig wäre, unmittelbar zu einer Sozialdebatte führen. Weil gerade Arbeitslose und Kleinverdiener einen großen Teil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben, müsste die Regierung durch die Anhebung der Sozialleistungen für einen Ausgleich sorgen, der am Ende Milliarden-Einsparungen des Staates fraglich macht. Weder im Bundestag noch im Bundesrat könnte eine Regierung für ein solches Projekt mit Unterstützung rechnen.

Ähnliches gilt wohl auch für den Kulturbereich. Auch hier bliebe eine Verteuerung nicht ohne soziale Auswirkungen. Nach 2009 hatte sich Schäuble daher zunächst lange drängen lassen, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kommission zur Neuregelung der Mehrwertsteuer überhaupt einzusetzen. Nun, da das Bundestagswahljahr anbricht, ist mit Initiativen in dieser Richtung überhaupt nicht mehr zu rechnen.

Wie realistisch ist eine große Reform dann überhaupt? Allenfalls eine große Koalition aus Union und SPD hätte nach der Bundestagswahl im Herbst die Mehrheit dazu im Bundestag, allerdings nicht in der Länderkammer, um ein solches Vorhaben umzusetzen. Und selbst wenn rechnerisch diese Mehrheiten da wären, wäre ein solches Projekt wenig wahrscheinlich. Schließlich haben Union und SPD die Mehrwertsteuer 2005 kurz nach der Bundestagswahl auf 19 Prozent angehoben, was insbesondere der SPD schlecht bekommen ist. Seinerzeit brandmarkten die Sozialdemokraten vor der Wahl noch die „Merkel-Steuer“ und deren negative Wirkung auf Rentner und Studenten und ließen sich nach der Wahl sogar noch auf eine umfangreichere Anhebung des allgemeinen Steuersatzes (von 16 auf 19 Prozent) ein, als es die Union geplant hatte. Ein ähnliches Vorgehen bei der ermäßigten Mehrwertsteuer würden die Anhänger der SPD, aber auch der Union, den Parteien nicht durchgehen lassen. Denkbar wäre allenfalls, das Dickicht der Steuerermäßigungen Stück für Stück zu lichten. Doch auch das wäre politisch nicht ohne Risiko. Schäuble hat daher schon 2010 gewarnt, er erwarte von einer Reform der ermäßigten Mehrwertsteuersätze am Ende nur viel Ärger mit den Lobbygruppen und wenig Mehreinnahmen für den Staat.

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