zum Hauptinhalt

Politik: „Ohne Zugeständnisse der USA wird es keine Lösung geben“

Friedensforscher Harald Müller sieht beim Atomkonflikt mit Iran keine völkerrechtliche Grundlage für Sanktionen

Die Regierung in Iran will spaltbares Uran herstellen, darum droht ihr die EU mit Sanktionen und einer Verhandlung vor dem Weltsicherheitsrat. Gibt es dafür eine völkerrechtliche Grundlage?

Das ist sehr zweifelhaft. Was Iran tut, ist nach Artikel IV des Vertrages zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen ausdrücklich erlaubt. Der sichert den Mitgliedstaaten zu, die Kerntechnik für friedliche Zwecke im vollen Umfang zu nutzen, und dazu zählt auch die Urananreicherung. Allerdings hat Iran jahrelang gegen das zugehörige Verifikationsabkommen verstoßen und Versuchsanlagen nicht zur Überwachung angemeldet. Das gibt den Europäern das Argument, die Iraner müssten diesen Vertrauensverlust aufarbeiten. Aber das hat nur politisches Gewicht. Rein rechtlich fordern EU und USA das Verbot einer Technologie, die eigentlich allen Vertragsstaaten erlaubt ist.

Provoziert die ungleiche Behandlung nicht geradezu eine Protestreaktion, die sogar die iranischen Demokraten für die Atomtechnik mobilisiert?

Die ungleichen Standards sind tatsächlich das zentrale Problem im ganzen Nichtverbreitungsregime. Da gibt es den ungleichen Status der fünf Atomwaffenstaaten und der übrigen Mitglieder. Dann werden Nichtmitglieder wie Indien, Pakistan und Israel trotz nuklearer Aufrüstung anders behandelt als das Mitgliedsland Iran. Und dann haben wir noch die Diskriminierung von Staaten, denen Spaltstofftechnologien nicht erlaubt werden gegenüber zum Beispiel Deutschland, wo der Betrieb entsprechender Anlagen unbeanstandet bleibt. Bei der Überprüfungskonferenz zum Vertrag im Mai in New York haben wir darum erlebt, dass die Mehrheit der Staaten nicht bereit war, auf Iran Druck auszuüben, weil sie fürchten müssen, das werde sich irgendwann auch gegen sie selbst richten.

Mit seinen Öl- und Gasvorkommen braucht Iran doch keine teuren Atomkraftwerke. Ist das Misstrauen also berechtigt?

Dass die Iraner ihre Vorräte strecken und Strom lieber mit Kernenergie erzeugen wollen, ergibt durchaus Sinn. Fragwürdig ist aber in der Tat, dass das Land ausgerechnet die Urananreicherung betreiben will, obwohl es nicht einmal über ein laufendes Kernkraftwerk verfügt und obwohl Anreicherungskapazität weltweit ausreichend zur Verfügung steht.

Also geht es doch um nukleare Abschreckung und eigentlich müssten die Amerikaner mit Iran verhandeln?

Jedenfalls sehen die Iraner in den USA ihr größtes Sicherheitsproblem. Sie haben die Erfahrung mit der amerikanischen Unterstützung für Saddam Hussein bei seinem Angriffskrieg gegen Iran. Sie sind auf der „Achse des Bösen“ platziert worden und es gibt kein Nachbarland, in dem nicht amerikanische Truppen stationiert sind. Darum wird es vermutlich keine Lösung für das Atomproblem geben, solange die Amerikaner Iran keine Zusicherung in der Sicherheitsfrage geben wollen.

Aber was tun, wenn die Regierung Bush die Verhandlung mit den Mullahs verweigert?

Ich sehe keine Alternative. Was soll denn der Gang vor den Sicherheitsrat bringen? Ein Sanktionsregime wie einst gegen den Irak werden die vielen blockfreien Staaten gewiss ablehnen. Und militärische Sanktionen, wie soll das gehen? Die Anlagen in Isfahan und anderswo angreifen und dabei viele Unschuldige töten? Das ist doch gar keine Option.

Die Fragen stellte Harald Schumann.

Harald Müller (55) ist Professor für internationale Politik an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt und Leiter der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false