zum Hauptinhalt
Mitglieder der Bolivarischen Nationalgarde kämpfen an der Seite von Interimspräsident Juan Guaido in Caracas gegen das Maduro-Regime.

© Federico PARRA / AFP

Update

Ausschreitungen in Venezuela: Guaidó sucht die Entscheidung im Kampf gegen Maduro

Venezuelas selbst ernannter Interimspräsident verkündet die Endphase seiner „Operation Freiheit“. Soldaten befreien den bisherigen Oppositionsführer Lopez.

Zahlreiche Einwohner der venezolanischen Hauptstadt Caracas sind am Dienstagmorgen dem Aufruf der Opposition gefolgt und haben sich auf einer Autobahn am Rand des Luftwaffenstützpunktes La Carlota versammelt. Mehrere Soldaten der Nationalgarde schlossen sich ihnen an. Ihren Wechsel von der Unterstützung der Regierung zur Opposition kennzeichneten sie teils mit dem Tragen blauer Tücher. Videoaufnahmen zeigten Menschen, die auf dem Weg zu dem Stützpunkt die venezolanische Flaggen schwenkend über eine Brücke liefen. Dabei waren Schüsse zu hören und Rauch zu sehen. Unklar war, von wo und wem die Schüsse abgegeben wurden. 

Vor der Militärbasis Carlota kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó sowie regierungstreuen Militärs. Die Soldaten setzten Tränengas ein. Verteidigungsminister Vladimir Padrino López gab dagegen via Twitter bekannt, dass die Situation normal sei. Alle Militärstützpunkte in den acht Regionen hätten „Normalität“ gemeldet, schrieb er. Die Streitkräfte seien wachsam in der Verteidigung der Verfassung und ihrer rechtmäßigen Vertreter.

Gleichzeitig kursiert auf Twitter ein Video, das zeigt, wie Anhänger Guadiós von einem Militärfahrzeug überrollt werden.

Juan Guaidó hatte zuvor erklärt, dass die „Operation Freiheit“, mit der der sozialistische Staatschef Nicolás Maduro aus dem Amt gedrängt werden soll, jetzt in die entscheidende Phase gehe. Am Dienstag zeigte er sich gemeinsam mit Soldaten und dem aus dem Hausarrest befreiten Oppositionsführer Leopoldo Lopez. Seine „Operation Freiheit“ gehe jetzt in die entscheidende Phase, sagte er.

Nach dem Aufruf der Opposition zum Aufstand sei der Zugriff auf das Internet teilweise eingeschränkt worden, berichtete die Nichtregierungsorganisation Netblocks. Netzwerke wie Facebook, Twitter und Plattformen zum Hochladen von Videos seien vorübergehend nicht mehr erreichbar gewesen. Die Störungen führte Netblocks auf den staatlich betriebenen Internetprovider zurück, welcher den Zugang zu den Diensten eingeschränkt habe. Diese Sperrung sei jedoch nicht „zu 100 Prozent effektiv“ gewesen.

Soldaten hatten den bisherigen Oppositionsführer Lopez nach dessen Angaben aus dem Hausarrest befreit. „Militärs haben mich auf Anweisung von Präsident Guaidó befreit“, schrieb Lopez auf Twitter. Auf Fotos soll er gemeinsam mit dem selbst ernannten Interimspräsidenten Guaidó und Soldaten auf dem Luftwaffenstützpunkt La Carlota bei Caracas zu sehen gewesen sein. „Jetzt ist die Stunde, um die Freiheit zu erringen“, schrieb Lopez auf Twitter. „Kraft und Glaube.“

Der Gründer der Oppositionspartei Voluntad Popular sitzt seit 2014 in Haft. Damals waren bei Protesten gegen die Regierung mehr als 40 Menschen ums Leben gekommen. Ein Gericht verurteilte ihn wegen Anstachelung zur Gewalt zu fast 14 Jahren Haft. Zuletzt saß der Oppositionsführer im Hausarrest. Zahlreiche Regierungen und Menschenrechtsorganisationen sehen in Lopez einen politischen Gefangenen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Ein Militärkommandeur in der Militärbasis widersprach den „in sozialen Netzwerken kursierenden Kommentaren“, dass La Carlota von Putschisten eingenommen worden sei. Dies sei nicht der Fall. Die dort anwesenden Truppen seien Maduro treu ergeben, sagte er einer Reporterin des regierungsnahen Senders TeleSur. Andere Vertreter des Maduro-Regimes bezeichneten das Vorhaben von Guaido und Lopez als einen Putschversuch der Opposition, gegen den man entschieden vorgehen würde. Dabei handle es sich um eine „kleine Gruppe von militärischen Verrätern“, erklärte Informationsminister Jorge Rodríguez am Dienstag via Twitter: „Wir rufen das Volk dazu auf, in maximaler Alarmbereitschaft zu bleiben und gemeinsam mit den glorreichen Streitkräften den Putschversuch abzuwehren und den Frieden zu erhalten.“ Doch vorerst schien Maduro die Oberhand und die Kontrolle über die staatlichen Einrichtungen zu behalten. Der 56-Jährige appellierte an die Venezolaner: „Ich rufe zur maximalen Mobilisierung des Volkes auf, um den Sieg des Friedens sicherzustellen“, twitterte er.

Der selbst ernannte Interimspräsident Guaidó rief weitere Einheiten des Militärs des südamerikanischen Landes dazu auf, sich ihm anzuschließen. „Die Streitkräfte haben die richtige Entscheidung getroffen. Sie können auf die Unterstützung des venezolanischen Volkes zählen“, schrieb er auf Twitter. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters konnte Guaido bis zum Sonntagnachmittag nur auf die Unterstützung von einigen Dutzend, überwiegend jungen Soldaten zählen.

Mit dem Husarenstück im Morgengrauen hat Guaidó nach wochenlangem Stillstand wieder Bewegung in den Machtkampf gebracht. Allerdings ist der Vorstoß auch brandgefährlich: Bislang ließ Maduro seinen Herausforderer Guaidó weitgehend gewähren. Nach dem Putschversuch könnte die sozialistische Regierung nun andere Saiten aufziehen. „In diesem Moment sammelt die Generalstaatsanwaltschaft Beweise, gegen jene, die in diese illegale Verschwörung verwickelt sind“, sagt Generalstaatsanwalt Tarek William Saab.

US-Politiker begrüßt Entwicklung im Machtkampf

US-Vizepräsident Mike Pence und Außenminister Mike Pompeo haben angesichts des neu aufgeflammten Machtkampfs in Venezuela der Opposition um den selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó ihre Unterstützung zugesichert. „Amerika wird Ihnen beistehen, bis Freiheit und Demokratie wiederhergestellt sind“, schrieb Pence am Dienstag auf Twitter. Pompeo schrieb auf Twitter: „Die US-Regierung unterstützt das venezolanische Volk vollkommen in seinem Verlangen nach Freiheit und Demokratie.“ Demokratie könne nicht besiegt werden.

Der venezolanische Interimspräsident Juan Guaido, links, steht neben dem aus dem Hausarrest befreiten Oppositionsführer Leopoldo Lopez.
Der venezolanische Interimspräsident Juan Guaido, links, steht neben dem aus dem Hausarrest befreiten Oppositionsführer Leopoldo Lopez.

© -/Voluntad Popular/dpa

Auch der Nationale Sicherheitsberater der USA, John Bolton, erklärte: „Die Vereinigten Staaten stehen zum venezolanischen Volk.“ Die Streitkräfte des Landes müssten nun Verfassung und das Volk schützen. „Sie sollten zur Nationalversammlung und den legitimen Institutionen stehen, gegen die Vereinnahmung der Demokratie“, schrieb Bolton.

Die USA halten die Opposition seit langer Zeit für die legitime Kraft in Venezuela und versuchen, das Kräfte im mächtigen Militär zur Abkehr von Präsident Nicolàs Maduro bewegen. Washington erkennt Juan Guaidó als legitimen politischen Führer Venezuelas an und hat gegen die Regierung Maduros erhebliche Sanktionen verhängt. Der republikanische US-Senator Marco Rubio begrüßte die neueste Entwicklung im Machtkampf zwischen Opposition und Regierung. „Dies ist der Moment für die Offiziere des Militärs in Venezuela, um ihren Eid zu erfüllen und den legitimen Interimspräsidenten Juan Guaidó in seinem Bemühen, Demokratie wiederherzustellen, zu unterstützen“, schrieb Rubio auf Twitter.

Russland warnt vor einem Eingreifen von außen

Russische Politiker haben angesichts einer neuen Zuspitzung im Machtkampf in Venezuela vor einem Eingreifen von außen gewarnt. Es gebe Kräfte, die nur einen Vorwand für ein gewaltsames Einschreiten suchten, schrieb der Chef des Auswärtigen Ausschusses im russischen Föderationsrat, Konstantin Kossatschow, am Dienstag bei Facebook. Er nannte die USA nicht namentlich, forderte allerdings, den Machtkonflikt durch einen innenpolitischen Dialog und auf Grundlage der Mechanismen der Vereinten Nationen zu lösen.

Unterstützer der Opposition von Interimspräsident Guaido suchen Schutz bei den Ausschreitungen am Luftwaffenstützpunkt "La Carlota".
Unterstützer der Opposition von Interimspräsident Guaido suchen Schutz bei den Ausschreitungen am Luftwaffenstützpunkt "La Carlota".

© Ueslei Marcelino/REUTERS

Die in Venezuela arbeitenden Militärexperten aus Russland würden sich nicht einmischen, teilte die russische Botschaft in der venezolanischen Hauptstadt Caracas der Agentur Interfax zufolge mit. Sie seien nicht für Kampfhandlungen ausgebildet. Sie sollten vielmehr die von Russland gelieferten Waffensysteme einrichten und Personal ausbilden. Die Botschaft bezeichnete die Lage als ruhig.

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte in Moskau, dass Präsident Wladimir Putin mit dem russischen Sicherheitsrat die Situation nach dem Putschversuch in Venezuela erörtert habe. Details nannte er nicht. Russland steht in dem Konflikt an der Seite des sozialistischen Staatschefs Nicolás Maduro. Russland fürchtet vor allem um die Rückzahlung seiner Milliardenkredite, sollte Maduro stürzen.

Heiko Maas plädiert für ein politische Lösung

Bundesaußenminister Heiko Maas sagte nach einem Treffen mit dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro in Brasilia: „Wir wollen nicht, dass es eine Entwicklung gibt, in der die Waffen sprechen. Jetzt wird es erst einmal darum gehen, verantwortungsvoll zu handeln. Wir wollen das nicht militärisch lösen, sondern politisch. Nur das ist wirklich nachhaltig. Dazu können alle ihren Beitrag liefern.“

Der SPD-Politiker bekräftigte erneut, auf welcher Seite die Bundesregierung in dem seit Januar andauernden Machtkampf in Venezuela steht. „Unsere Unterstützung für Juan Guaidó hat sich in keiner Weise geändert“, sagte er. (dpa, Reuters, epd, AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false