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ORTSTERMIN: Oxford steht auf

Protest gegen Debatte mit Holocaust-Leugner

Von Markus Hesselmann

Mit einem Mal bekommen selbst die kräftigen Türsteher Angst. Die Masse der Demonstranten drängt auf das Tor in der engen St. Michael’s Street zu. Ein zäher, unwiderstehlicher Fluss in Richtung Eingang des von einer Backsteinmauer samt gusseisernem Gitter umrahmten Gebäudes. Das Metalltor fällt ins Schloss. Wer noch nicht drin ist, soll draußen bleiben, auch wenn er oder sie eine Eintrittskarte hat. „Oxford hear us shout, Griffin, Irving, fascists out“, schallt es durch die idyllischen Sträßchen der Universitätsstadt.

Drinnen treten David Irving, Autor und verurteilter Holocaust-Leugner, und Nick Griffin, Chef der rechtsradikalen British National Party, bei einer Debatte der „Oxford Union“ auf, einer unabhängigen Studentenorganisation. „Ich lehne es ab, mich zu fügen”, sagt Irving. „Ich schreibe nur über das, was ich in den Archiven finde.“ Irving wurde in Österreich zu einer Gefängnisstrafe wegen Holocaust- Leugnung verurteilt. Er hatte die Existenz der Gaskammern in den Vernichtungslagern der Nazis bezweifelt. In Großbritannien gibt es kein Gesetz gegen Holocaust- Leugnung. Griffin, dessen Partei einige Sitze in Stadträten hält, spricht an diesem Abend von der angeblichen Diskriminierung weißer Briten in einem multikulturellen Großbritannien. Luc Tryl, Organisator der Debatte, sagt später, Irving habe eine „erbärmliche“ Figur abgegeben. „Ich finde seine Ansichten abscheulich und widerwärtig und habe das auch in meiner Einleitung gesagt.“ Es sei aber wichtig, Rechtsradikale nicht per Redeverbot zu Märtyrern zu machen.

Kritiker sprachen von einer geplanten Provokation um der Publicity willen. Die beiden Rechtsradikalen wurden zum traditionellen „Free Speech Forum“ eingeladen, an dem früher unter anderem der Dalai Lama und Mutter Teresa teilgenommen hatten. Der Rat der Stadt Oxford distanzierte sich von der Einladung Irvings und Griffins. Rechtsradikalen dürfe keine öffentliche Plattform gegeben werden, vor allem nicht an einem derart hervorgehobenen Ort. Die Polizei zählte bis zu 500 Demonstranten. Einige Dutzend der Protestler stürmten zwischenzeitlich den Saal. Die Diskussion wurde um Stunden verschoben und fand schließlich in Hinterzimmern statt – in einem Irving, im anderen Griffin. Ein Grüppchen von Mitgliedern der Oxford Union hielt der Masse der Demonstranten derweil draußen ein Plakat entgegen mit einem Voltaire’schen Prinzip, wenn auch so nie wörtlich von dem französischen Aufklärer geäußert: „Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.“

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