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Politik: Out of Oberaudorf

Unionskanzlerkandidat Stoiber macht Wahlkampf in seinem bayerischen Geburtsort. Dort hat ihm diesen Aufstieg niemand so richtig zugetraut

Von Mirko Weber, Oberaudorf

Nachteilig? Nein, nachteilig sei es „direkt nicht“, wenn der bayerische Ministerpräsident aus dem eigenen Dorf stamme. Sagt zumindest der Seebauer Hans, und er muss es wissen, weil nämlich der Seebauer gerade mehr oder minder zufällig seinem alten Schulbanknachbarn Edmund in die halb ausgestreckten Arme gelaufen ist, mitten auf der Oberaudorfer Dorfstraße, am helllichten Tag. Schön sei das, finden beide, wiewohl nicht außergewöhnlich. Der Kanzlerkandidat schaut öfter mal in seinem Geburtsort vorbei, „bisserl spazieren, zehn Minuten“, dafür reicht es ihm eigentlich immer privat. Heute dagegen ist er offiziell da.

Der Oberaudorfer Stoiber kennt sich noch aus. Alle 5000 Seelen hingegen kann er nicht mehr korrekt zuordnen, selbst er nicht. „Schönen Urlaub“, ruft der Kandidat auf seinem Rundgang einen Balkon hoch. „Wir wohnen hier!“, schallt es ein wenig empört zurück. Beim nächsten Bürgerkontakt ist Stoiber vorsichtiger: „Seid’s ihr von hier?“ Es sind dann aber Sachsen.

Was er selber gerne hört (und er bekomme es oft zu hören, nicht nur in Oberaudorf, sagt er), ist ein aufmunterndes „Weiter so, Herr Stoiber.“ Das geht ihm runter, das gibt er zu, später, beim Ochsenwirt, wo die Dachser Kathi „einmal angefangen hat mit einem Kühlschrank und Flaschenbier“, und manchmal hat der junge Edmund eins holen müssen für den Oberpfälzer Vater („das Stück a Fuchzgerl"), den es mit seiner rheinischen Frau und den drei Kindern aus beruflichen Gründen hierhin verschlagen hatte. Die Siedlung lag ein wenig außerhalb und hieß „Neue Welt". Stoibers waren „Zuag’roaste". Für die vielen Kameras muss Stoiber jetzt eine Miene ziehen, die nach Nachdenklichkeit ausschaut. Mag aber sein, er ist es wirklich, wie er da vor seinem Vaterhaus steht, wo die Kinder in der Küche auf dem Fußboden geschlafen haben, weil ihr Zimmer an die ersten Touristen nach dem Krieg vermietet wurde.

So lernte der Bub Deutschland kennen, bevor Deutschland ihn kennen lernen sollte: Hamburger, Berliner, Ruhrgebietler. Heute kommt Stoiber „auch als Bayer und vor allem in Norddeutschland an". So erzählt er es. Stolz. Für seine Verhältnisse ist er geradezu aufreizend entspannt. Kurze Sätze. Kleine Witze. Keine Belehrungen.

Nur auf den n der Hebamme kommt er nicht mehr, aber es ist immer ein Oberaudorfer in der Nähe, der helfen kann: natürlich, die Stengel Nanni. Vor der hat selbst der Herr Doktor einen Respekt gehabt.

Es war nicht immer eine heile Welt in Oberaudorf, keine Frage. Aber jetzt gerade ist die Welt von Edmund Stoiber ziemlich im Lot, das merkt man deutlich. Die Umfragewerte stimmten, die Zeichen stünden auf Wechsel, die Wirtschaft warte nur darauf, sagt Stoiber. Hier war der Rodelberg, „da ging’s obi". Ziemlich steil, findet er noch heute. Er ist trotzdem hinunter. Jetzt ist er fast oben. Fast. Der Bürgermeister verabschiedet ihn bereits als Bundeskanzler. Stoiber hat nichts dagegen. Seinen Urlaub in der nächsten Woche verbringt der Kandidat auf der Nordseeinsel Juist. „Zugetraut hat ihm das alles ja keiner“, sagt der Seebauer Hans.

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