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Politik: Päpstlicher als der Papst

Von Stephan-Andreas Casdorff

Geschichte war allerorten, wo der Papst wandelte. Gott mit dir, du Land der Bayern, lautet die Hymne, und nie war sie für die Menschen dort so wahr wie dieser Tage. Ihre Herzen erhoben sich, und die Ehrfurcht zog mit ihm, mit Benedikt XVI., dem ersten deutschen katholischen Kirchenoberhaupt seit 600 Jahren, darin Herrscher über Milliarden. Es wird, angesichts seines Alters, die letzte Reise in die Heimat gewesen sein.

Und es war eine Reise zu sich selbst. In dieser historischen Dimension: Joseph Ratzinger, Bruder, Priester, Professor, Kardinal, Glaubenswächter, Papst – er war aus Rom gekommen, als Mensch, natürlich, vor allem allerdings als ein veränderter, der noch dazu verändern will. Er wird nachwirken, in des Wortes breitester Bedeutung, und dieses Mal ist ausnahmsweise nicht die touristische gemeint. Denn Joseph Ratzinger, der Papst, hat Karol Wojtyla, Johannes Paul, den Vorgänger, vergessen gemacht. Auf seine Weise.

Nicht nur, weil er – was in dieser Kirche ein Signal ist – ihn nicht erwähnt, ihn nicht in Anspruch genommen hat für Wegweisung. Mehr noch, weil Benedikt, der Mann des Wortes, sagte, wonach ihm ist. An ihm zeigte sich, was „kraft Amtes“ heißen kann: Da sprach nie und nirgends ein hemdsärmeliger, einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn, als den er sich selbst gerne untertreibend beschreibt, da redete ein Professor. Wenngleich nicht ex cathedra, dazu ist er zu klug, sondern als Lehrer in warmen Worten in der Kathedrale des Wissens, in einer, seiner alten Universität. Und es predigte ein Pfarrer, einer in großer Sorge um die Seelen der ihm Anvertrauten.

So weit, so gut. Nur höre man die Worte und entkleide sie der Sanftheiten, der Freundlichkeiten, des katholischen Singsangs, der nach diesen vielen Jahren der Live-Übertragungen von Papst-Pop- Events vertraut klingt. Dann ist die Botschaft klar. Missionspredigten klingen so, verbunden mit der Warnung vor Unglauben. Und darin ist er so kühl, wie es die höchsten aller Kirchen sind. Drängend fordert er zum Glauben auf, er fordert ihn gleichsam ein, weil doch allein so die Herausforderung durch die andere Religion, die er gelten lässt, den Islam, bestanden werden kann: geschlossen, glühender denn je, endlich wieder fest überzeugt.

Das sagt, übersetzt, der Joseph Ratzinger, der über den Glauben wacht. Aber er sagt es als Benedikt XVI. Er sagt es freundlich, im Gewand der höchsten Vernunft, mit literarischen Kunstgriffen, sich zurückziehend hinter Geschichte und geschichtliche Gestalten. Aber er sagt es in einer Weise, die deutlich macht, dass hier einer anders, weiter denkt. Dieser Papst nimmt die Globalisierung an und weitet den Wettbewerb auf die Religion aus. Als „Scheideweg im Verständnis Gottes“. Dieser Papst will vorstoßen, überall, zum freien Missionsgebiet, er will die Christianisierung vorantreiben, lässt liberale Theologie nicht gelten und auch keine andere des 20. Jahrhunderts. Relativismus ist kein Wort für ihn. Er muss wissen, dass er mit seiner Haltung die Gläubigen anderer Religionen vor den Kopf stößt.

So passt denn auch, dass der Papst viele Worte zur Marienfrömmigkeit fand und auch welche gegen die, die Kritik an Religion für Meinungsfreiheit halten, doch kein weiteres oder weiterführendes zur Ökumene in seinem Land, dem der Reformation. Da ist der Joseph Ratzinger, der deutsche Papst. Er wird wohl so schnell nicht wiederkehren. Die Chance auch nicht.

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