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Shahbaz Sharif (links), der an der Spitze der Provinz Pandschab steht, ist der Bruder des pakistanischen Ex-Premierministers Nawaz Sharif (rechts).

© AFP

Pakistan: Aus dem Schatten

Shahbaz Sharif ist der Chef der größten Provinz Pakistans - in Pandschab leben mehr Menschen als hierzulande. Von seinem Deutschland-Besuch an diesem Donnerstag und Freitag erwartet Sharif Impulse für die Energieversorgung.

Shahbaz Sharif ist ein Mann kräftiger Worte, und er mag theatralische Auftritte. Er ist Ministerpräsident der größten pakistanischen Provinz Pandschab, die mit gut 90 Millionen Menschen mehr Einwohner hat als Deutschland. Und er ist der Bruder des ehemaligen Premierministers Nawaz Sharif, dessen Muslimliga ML-N sich Hoffnungen macht, bei den im kommenden Frühjahr geplanten Wahlen die in Islamabad regierende PPP abzulösen. Im Falle eines Wahlsiegs würde Sharif wohl nach Islamabad wechseln, wie er im Gespräch mit dem Tagesspiegel bereits vor einigen Wochen in Lahore durchblicken ließ. Am Donnerstag und Freitag kommt er nach Berlin, dort ist auch ein Treffen mit dem Sonderbeauftragten der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan, Michael Koch, geplant. Wichtigstes Thema für Sharif ist die Energieversorgung.

Denn Pakistan, auch Pandschab, hat ein massives Energieproblem. Ständig fällt der Strom aus. Im Sommer gab es oft mehr als 20 Stunden am Tag keinen Strom – die Menschen suchten verzweifelt Abkühlung in den Kanälen Lahores. Obwohl er Ministerpräsident der Provinz ist, setzte sich Sharif an die Spitze der Demonstranten, die gegen die Energieknappheit auf die Straße gingen. Die Begründung: Bis vor kurzem war die Versorgung allein Sache der Zentralregierung gewesen, daher treffe Islamabad die Schuld an der Energieknappheit. Sharifs Berater berichteten stolz, er habe sein Büro ins Freie verlegt – auch er arbeite ohne Klimaanlage. Die Engpässe bei der Energieversorgung schaden der Wirtschaft massiv. Das fällt letzten Endes auch auf den Landeschef zurück. Der ist aber zum Beispiel sehr stolz darauf, dass in Lahore die öffentlichen Busse Klimaanlagen haben. „Das hat es in dem Land noch nicht gegeben, nicht in 64 Jahren“, schwärmte er bei einem Besuch vor einigen Wochen in Lahore.

In Berlin und Potsdam will Sharif Vertreter von Energiefirmen treffen, Repräsentanten der erneuerbaren Energien und Kohle haben Priorität. Er hofft, dass sie in das Pandschab kommen und dort investieren. Dazu will er dort auch eine Energiekonferenz veranstalten, für die er auf deutsche Unterstützung setzt, das Bundeswirtschaftsministerium hat dafür ein Programm. Einige Firmen machen bereits gute Geschäfte in Pakistan. Sharif würde gern Unterstützung für erneuerbare Energie lockermachen. Sonne gibt es im Pandschab reichlich. Auch mit Energie, die aus Kohle gewonnen wird, hat er keine Probleme. Wenn die Deutschen wegen des Klimawandels die Kohle als Energieträger für keine gute Idee hielten, gebe es einen Weg, sagte er. Und weiter: „Geben Sie uns Solaranlagen, wir zahlen dafür.“ Er wolle keine Geschenke. „Geben Sie uns einen Kredit.“

Auch politische Gegner zollen Sharif Respekt. Er habe in seiner Provinz vieles auf den Weg gebracht, das anderswo in Pakistan noch auf sich warten lasse. Seine Bewunderer sagen, dass er weniger als klassischer Politiker agiere, sondern seine Provinz vielmehr als Unternehmen sehe und entsprechend pragmatisch vorgehe. Allerdings hat mancher Zweifel, ob Sharifs Politik wirklich Schule macht. Er habe bisher keine effizienten politischen und administrativen Strukturen geschaffen, monieren Beobachter.

Auch in Fragen der Außenpolitik hat Sharif deutliche Ansichten. Kritiker werfen ihm vor, er gehe nicht konsequent gegen die militanten Taliban in seinem Einflussbereich vor. „Ein Terrorist ist ein Terrorist“, egal ob Muslim oder nicht, Taliban oder nicht, betonte Sharif. „Aber man kann nicht sagen, alle Taliban sind Terroristen.“ Niemand solle behaupten, Pakistan bekämpfe den Terror nicht genug, sein Land habe bereits 30 000 Menschen verloren. Auf die Frage nach Terrorführer Mullah Omar und dem Haqqani-Netzwerk, die im Verdacht stehen, von Pakistan aus Attacken zu koordinieren, antwortete er ausweichend. Wenn jemand in New York oder in Deutschland getötet werde, dann sei das so schlimm wie ein Todesopfer in Pakistan. Das Ausland könne gern mit Pakistan im Kampf gegen den Terror zusammenarbeiten, aber der Weg müsse Pakistans „eigener Roadmap“ folgen, nicht einer „vom Ausland diktierten Agenda“. Zudem forderte er, dass der Einsatz der US-Drohnen sofort gestoppt werden müsse. Durch die Drohnenangriffe würden viele unschuldige Menschen getroffen. „Was also ist der Unterschied zwischen Drohnen und Terroristen?“ fragte er provozierend.

Auch angesichts des jüngsten Konflikts über das Mohammed-Schmähvideo findet Sharif klare Worte. Das Video sei „offener Terrorismus“, kein Muslim könne eine solche Beleidigung des Propheten hinnehmen, Proteste seien eine natürliche Reaktion. Die gewalttätigen Ausfälle in Pakistan aber seien „falsch und unangemessen“ und hätten „ein schlechtes Bild von uns“ weltweit verbreitet, wird er in Zeitungen zitiert. Nach den Ausschreitungen wandte sich der Ministerpräsident an die Mullahs. Sharif habe sie gemahnt, sie müssten „die Nation führen“, für Toleranz werben und „Feinde in den eigenen Reihen eliminieren“, berichtete die Zeitung „Daily Times“.

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