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Pakistan: Der Reporter, der zu viel wusste

Der Tod des populären Journalisten Shahzad wird als Drohung an die ganze Nation verstanden

Syed Saleem Shahzad wusste, dass sein Leben in Gefahr ist. Er überlege, mit seiner Familie ins Ausland zu ziehen, soll er jüngst Freunden gesagt haben. Doch es ist zu spät für ihn. Am Sonntagabend war der renommierte pakistanische Journalist auf dem Weg zu einem TV-Interview in Islamabad verschwunden. Am Dienstag wurde seine Leiche gefunden – in einem Kanal 150 Kilometer südöstlich von Pakistans Hauptstadt. Seine Mörder hatten ihn zu Tode gefoltert – seine Rippen waren gebrochen, die Leber gerissen. Der Mord sendete Schockwellen bis nach Washington. In scharfer Form verurteilte US-Außenministerin Hillary Clinton die Tat und verlangt Aufklärung.

Es ist mehr als „nur“ ein weiterer Mord. Die blutige Tat und das Auftauchen der übel zugerichteten Leiche, so glauben viele, ist eine Warnung an alle Journalisten und Kritiker. „Es ist ein Versuch, eine ganze Gesellschaft mundtot zu machen“, meint der Bostoner Professor für internationale Beziehungen, Adil Najam. Wie wenig Pakistans Regierung in der Lage ist, die Medien zu schützen, gestand sie selbst praktisch ein, in dem sie Journalisten erlaubte, Schusswaffen zu ihrem Schutz zu tragen. Der Vorstoß wurde mit Spott und Hohn quittiert.

Shahzad, der als Pakistan-Bürochef von „Asia Times online“ und für die italienische Nachrichtenagentur Adnkronos arbeitete, war nicht irgendwer: Er war einer der mutigsten Reporter Pakistans – und einer der intimsten Kenner der Terrorszene. Wohl niemand war so dicht dran an Taliban, Al Qaida, Lashkar-e-Toiba und den vielen anderen Terrorgruppen wie der 40-Jährige, als einer der wenigen hatte er manchen Terrorführer sogar persönlich getroffen. Niemand bot einen so tiefen Blick in die dunkle, gefährliche Welt des militanten Islam.

Und kaum jemand wusste so viel über dessen Kontakte in ISI und Militär hinein. Musste er sterben, weil er zu viel wusste? In seinem letzten Artikel, der als Zweiteiler angelegt war, hatte er die Hintergründe der Terrorattacke auf den Marinefliegerhorst am 22. Mai in Karachi beleuchtet. Demnach ging der Angriff auf das Konto der Al-Qaida-nahen „Brigade von Ilyas Kashmiri“ – es sei ein Racheanschlag gewesen, weil die Marine gegen Al-Qaida-Zellen vorging, die die Streitkräfte infiltriert hatten, meinte Shahzad. Der zweite Report sollte dieser Tage folgen. Er konnte ihn nicht mehr schreiben.

Der indische Analyst B. Raman spekulierte sogar, dass Shahzad ermordet wurde, weil er bei seinen Recherchen jenen auf die Spur kam, die Osama bin Laden in Abbottabad versteckten. Unter Verdacht sehen viele Pakistans Geheimdienst ISI. „Wir können nicht sicher sagen, wer ihn tötete. Aber wir können sicher sagen, dass Saleem Shahzad ernste Drohungen vom ISI erhielt“, erklärte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Auch habe man Tipps vor seinem Tod bekommen, dass der ISI ihn entführt habe.

Shahzad hinterlässt drei Kinder und eine Frau. Sein Tod ist nicht nur eine menschliche Tragödie. Es ist auch journalistisch ein großer Verlust. Wer mehr wissen wollte über die Hintergründe von Anschlägen, las Shahzad. „Seine Arbeit über Terrorismus- und Sicherheitsfragen in Pakistan hat die Gefahren ans Licht gebracht, die der Extremismus für Pakistans Stabilität bedeutet“, würdigte Clinton ihn. Shahzads Vermächtnis ist ein Buch, das vor knapp 14 Tagen erschienen ist: „Inside El Qaeda and the Taliban“.

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