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Chaudhry

© dpa

Pakistan: "Eine Revolution des Volkes"

Nach Massenprotesten lässt Pakistans Präsident Zardari den Chefrichter Chaudhry in sein Amt zurückkehren. Damit erfüllt Zardari ein Wahversprechen, das er zuvor gebrochen hatte.

Anwälte in schwarzen Anzügen tanzen auf den Straßen, gestandene Männer weinen vor Freude, Fremde liegen sich in den Armen. "Dies ist ein historischer Augenblick", ruft Oppositionschef Nawaz Sharif in die jubelnde Menge. Die Massenproteste in Pakistan schlugen am Montag in Freudentaumel um. Die Opposition hat Präsident Asif Ali Zardari in die Knie gezwungen und ihr Kernziel erreicht: Der unbeugsame Chefrichter Iftikhar Chaudhry und andere unabhängige Richter werden am Samstag wieder ins Amt gehoben – fast anderthalb Jahre nach ihrer Entlassung.

Damit wurde eine blutige Kraftprobe auf den Straßen in letzter Minute abgewendet. Sharif, der mit tausenden Anhängern auf die Hauptstadt Islamabad zumarschierte, blies die Proteste ab. Während Zardari auf Tauchstation ging, kam es vor dem Haus von Chaudhry in Islamabad zu Jubelfeiern. Die Menge bewarf den Chefrichter mit Blütenblättern. "Ich bin glücklicher als am Tag der Geburt meiner Kinder. Eine unabhängige Justiz heißt, dass unser Land in sicheren Händen ist", sagte der 27-jährige Shafqat Mehmood. Von einer "Revolution des Volkes" sprachen TV-Sender in Indien.

Es ist nicht nur ein Sieg Sharifs über den unbeliebten Präsidenten. Die von den Juristen geführte Protestbewegung hat Geschichte geschrieben: Fast anderthalb Jahre haben Anwälte und Richter Woche für Woche für eine unabhängige Justiz protestiert. Ihr Symbol ist Chaudhry, den der frühere Militärherrscher Pervez Musharraf im November 2007 mit stiller Billigung der US-Regierung von George W. Bush geschasst hatte. Nach den Wahlen vor einem Jahr hatte der neue Präsident Zardari jedoch sein Wahlversprechen gebrochen, Chaudhry zurückzuholen, weil er fürchtete, dass dieser alte Fälle gegen ihn aufrollt. Armeechef Ashfaq Kayani und Premierminister Yousuf Raza Gilani zwangen Zardari am Ende zum Einlenken. Nicht der Präsident, sondern Gilani trat vor die Kameras, um den Kompromiss zu verkünden. Der Konflikt war eskaliert, nachdem Zardari Sharif von allen Wahlen bannen ließ und dessen Muslim-Liga in der Provinz Punjab aus der Regierung putschte. Gilani kündigte an, auch dies werde rückgängig gemacht.

Die USA begrüßten den Kompromiss, der auch eine neue Machtverteilung bedeutet: Der große Verlierer ist Zardari, der gerade sieben Monate im Amt ist. Auch wenn er Präsident bleibt, dürften Kayani und Gilani nun das Ruder übernehmen. Sie wollen Sharif und seine Muslim-Liga an Bord holen, um die politischen Kräfte zu einen.

Aus Angst vor völligem Chaos hatten die USA Kayani gedrängt, die Zügel in die Hand zu nehmen. Auf der politischen Bühne wird Gilani, der sich von Zardari distanzierte, nun wohl die Schlüsselrolle spielen. Er wollte sich noch am Montag mit Sharif treffen. Der Oppositionschef muss nun beweisen, dass es ihm nicht nur um die eigene Macht. Der neue US-Präsident Barack Obama hat die Politik seines Vorgängers revidiert. Er distanzierte sich von Zardari und billigte die Rückkehr Chaudhrys.

Der Jubeltag für die pakistanische Justiz endete dennoch mit Schrecken: Ein Selbstmordattentäter riss acht Menschen vor einem Restaurant in der Stadt Rawalpindi in den Tod. Der Bombenanschlag galt, so die Behörden, dem geplanten Marsch der Opposition nach Islamabad. Das Land solle destabilisiert werden.

Christine Möllhoff

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