zum Hauptinhalt
Benazir Bhutto

© dpa

Pakistan: Unruhen nach tödlichem Anschlag auf Benazir Bhutto

Gerade hatte sie die Wahlkampfveranstaltung verlassen, da schlug der Attentäter zu: Benazir Bhutto, Pakistans charismatische Oppositionsführerin, ist tot. Der Mord löste im ganzen Land gewalttätige Proteste aus, bei denen mehrere Menschen starben. Öl ins Feuer gießt indes Oppositionspolitiker Sharif, der zu einem Wahlboykott aufrief.

Die pakistanische Oppositionsführerin Benazir Bhutto (54) ist knapp zwei Wochen vor den geplanten Parlamentswahlen bei einem Attentat ermordet worden. Die charismatische Politikerin, die zweimal Regierungschefin in Pakistan war, wurde bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Garnisonsstadt Rawalpindi durch Schüsse in Kopf und Nacken tödlich verletzt. Mit Bhutto starben mindestens 20 ihrer Anhänger, als sich ein Selbstmordattentäter nach den Schüssen in die Luft sprengte. Der frühere Premierminister Nawaz Sharif, ein politischer Rivale Bhuttos, kündigte am Abend einen Boykott der für den 8. Januar geplanten Wahlen an und rief zum Generalstreik auf.

15 Menschen sterben bei Protesten nach Bhutto-Mord

Präsident Pervez Musharraf, der erst vor zehn Tagen den Ausnahmezustand in Pakistan aufgehoben hatte, mahnte die Bevölkerung zur Ruhe. Er ordnete eine dreitägige Staatstrauer an. Aus mehreren Städten des Landes wurden nach dem Mordanschlag Proteste und Ausschreitungen gemeldet. Bei Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften wurden Medienberichten zufolge mindestens 15 Menschen getötet.

US-Präsident George W. Bush verurteilte den Anschlag ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere westliche Regierungen. In New York kam der UN-Sicherheitsrat kurzfristig zu einer Sondersitzung zusammen. Er verurteilte das Attentat "in schärfster Form". Jede Art von Terrorismus sei eine Gefahr für Frieden und internationale Sicherheit und nicht zu rechtfertigen.

Bhutto soll in ihrer Heimatstadt beigesetzt werden

Der Attentäter hatte nach dem Ende der Wahlveranstaltung auf den weißen Geländewagen geschossen, in dem die Parteichefin wegfahren wollte, wie ein Sprecher ihrer Pakistanischen Volkspartei PPP, Farhadullah Babar, berichtete. Bhutto sei schon tot gewesen, als ihr Fahrzeugkonvoi gegen 17:30 Uhr das Krankenhaus von Rawalpindi erreichte. Die Leiche sollte in der Nacht zum Luftwaffenstützpunkt von Rawalpindi gebracht und zur Beisetzung in Bhuttos Heimatstadt im Süden Pakistans geflogen werden.

Erst vor zehn Wochen - bei ihrer Rückkehr aus dem selbst gewählten Exil - war die Politikerin einem Selbstmordanschlag auf ihre Wagenkolonne in der Hafenstadt Karachi entgangen. 140 Menschen wurden getötet. Sie selbst blieb damals unverletzt.

Hunderte protestieren vor Krankenhaus

Hunderte von wütenden Anhängern Bhuttos versammelten sich nach Bekanntwerden des Todes der Oppositionsführerin vor dem Krankenhaus. In Sprechchören machten sie ihrer Wut gegen die Regierung Musharraf Luft. Die schwersten Ausschreitungen wurden aus der Hafenstadt Karachi und der südlichen Provinz Sindh gemeldet - der Hochburg der ermordeten Politikerin. Wütende Anhänger steckten Dutzende von Autos und Regierungsgebäude in Brand, plünderten Geschäfte und blockierten Straßen mit brennenden Reifen. Geplündert wurden auch zahlreiche Büros der regierenden Pakistanischen Muslim-Liga (PML-Q).

Präsident Musharraf machte in einer Fernsehansprache islamische Extremisten für den Anschlag verantwortlich. «Dies war die Tat derselben Extremisten, gegen die auch wir kämpfen.» Zuvor hatte er eine Dringlichkeitssitzung seiner engsten Mitarbeiter einberufen. Musharraf ist ein enger Verbündeter der USA im Kampf gegen den Terrorismus.

US-Präsident Bush nannte das Attentat einen "feigen Akt". Die Kräfte, die dahinter stünden, wollten die Demokratie in Pakistan untergraben. "Wir stehen hinter dem pakistanischen Volk in seinem Kampf gegen den internationalen Terrorismus", sagte Bush in einer kurzen Stellungnahme auf seiner Ranch in Texas. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nannte den Mord ein "ruchloses Verbrechen". Die EU verurteilte das Attentat als "barbarischen Akt der Gewalt".

Bundeskanzlerin Merkel reagierte mit "Erschütterung und Abscheu". Sie verurteilte die Tat aufs Schärfste und sprach von einem "feigen terroristischen Anschlag". Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, die Ermordung Bhuttos so kurz vor den Parlamentswahlen und die jüngsten Gewaltakte im Wahlkampf seien ein schwerer Schlag für alle, die in Pakistan für Demokratie kämpften.

Sharif will Wahl boykottieren

Pakistans ehemaliger Premier Sharif sprach von einer "Tragödie für die gesamte Nation". "Das ist eine sehr ernste Situation für das Land", sagte Sharif. Die Regierung hätte mehr für Bhuttos Schutz tun müssen. Bei Schüssen in die Menge, die Sharif am Donnerstag an einer Straßen zwischen Rawalpindi und Islambad zujubeln wollte, wurden nach Angaben eines Parteisprechers mindestens vier Menschen getötet und ein Dutzend andere verletzt. Der Konvoi Sharifs war noch knapp drei Kilometer entfernt, als die Schüsse fielen. Sharif kündigte unterdessen an, die Parlamentswahlen boykottieren zu wollen.

Die 54-jährige Bhutto spielte seit Jahrzehnten in der pakistanischen Politik eine maßgebliche Rolle. Nach dem Wahlsieg der PPP 1988 wurde sie als erste Frau in einem islamischen Staat Regierungschefin. 1993 gelang ihr für weitere drei Jahre die Rückkehr an die Macht. Wegen Korruptionsvorwürfen wurde sie jedes Mal abgesetzt, was aber ihrer Popularität im Volk keinen Abbruch tat. Bhutto entstammte einer Politiker-Dynastie. Ihr Vater Zulfikar Ali Khan Bhutto war 1977 vom Militärmachthaber Zia ul-Haq gestürzt und zwei Jahre später gehängt worden. (jvo/AFP)

Nasir Jaffry

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false