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Politik: Paris empört über Scharons Aufruf Premier forderte Juden zum Auswandern auf

Israels Regierungschef Ariel Scharon hat mit seiner Aufforderung an die französischen Juden, nach Israel auszuwandern, einen Sturm der Entrüstung entfacht. Sogar die jüdische Gemeinschaft in Frankreich distanzierte sich von ihm.

Israels Regierungschef Ariel Scharon hat mit seiner Aufforderung an die französischen Juden, nach Israel auszuwandern, einen Sturm der Entrüstung entfacht. Sogar die jüdische Gemeinschaft in Frankreich distanzierte sich von ihm. Scharon hatte am Sonntag in einer Rede „allen Juden“ vorgeschlagen, nach Israel zu kommen. Angesichts der Ausbreitung eines „entfesselten Antisemitismus“ sei dies für die Juden in Frankreich besonders dringlich. Bei zehn Prozent Muslimen in der Bevölkerung sei die Zunahme eines auf anti-israelischen Gefühlen beruhenden Antisemitismus zu befürchten. Er könne seinen „Brüdern in Frankreich“ nur raten, „so schnell wie möglich nach Israel auszuwandern“.

Zwar versuchte Israels Regierung am Montag, die Äußerungen Scharons zu relativieren: Der Premier habe nur gemeint, die Juden Frankreichs gehörten genau wie alle anderen Juden der Welt nach Israel, sagte ein Regierungssprecher, Scharon habe sie eingeladen. Doch die Empörung in Paris war groß. Außenminister Michel Barnier bezeichnete die Äußerung Scharons als „unannehmbar“ und wies den französischen Botschafter in Jerusalem an, eine Erklärung zu verlangen. Premier Jean-Pierre Raffarin zog es vor, nichts zu sagen – um die Kontroverse nicht anzuheizen, hieß es aus seiner Umgebung. Dagegen erkannte Parlamentspräsident Jean-Louis Debre in der „unverantwortlichen“ Äußerung Scharons „Feindseligkeit“ gegenüber Frankreich. Ein Sprecher der oppositionellen Sozialisten sagte, Frankreich sei „nicht das Deutschland der dreißiger Jahre“.

Auch Vertreter des Repräsentativen Rats jüdischer Institutionen (Crif) reagierten verständnislos. Der jüdische Studentenverband sagte, Scharon instrumentalisiere Antisemitismus, um mit Frankreich abzurechnen. Das Land hatte in den vergangenen Monaten eine Zunahme rassistischer und antijüdischer Übergriffe erlebt. Präsident Jacques Chirac rief deshalb zu Toleranz und Wachsamkeit auf. Kurz darauf inszenierte eine Frau einen angeblich antisemitisch motivierten Überfall arabischer und afrikanischer Jugendlicher auf sich selbst. Schon 2002 hatte Scharon vor einer „Welle des Antisemitismus in Frankreich“ gewarnt und eine Kontroverse mit Paris ausgelöst. Sie gipfelte in einem Telefonat, in dem sich Chirac über die „antifranzösische Kampagne“ beschwerte. Israel hatte bereits damals französische Juden zur Auswanderung aufgefordert und die Zuschüsse für Neuankömmlinge aus Frankreich auf 9000 Dollar erhöht.

In Frankreich leben etwa 600 000 Menschen jüdischen Glaubens, das ist nach den USA die zweitgrößte jüdische Gemeinschaft und das wichtigste Reservoir an potenziellen Einwanderern nach Israel. Israel hat seine Bemühungen, französische Juden zur Emigration zu bewegen, durch die Eröffnung neuer Informationsbüros der Jüdischen Agentur in mehreren französischen Städten intensiviert. Bis 2001 siedelten jährlich etwa tausend französische Juden nach Israel um. Im vergangenen Jahr waren es dann 2313 nach 2566 Menschen im Jahr 2002.

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