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© dpa

Parteienforscher: "Die SPD hechelt hinterher"

Peter Lösche über Steinmeiers "Deutschland-Plan" und Spannungen zwischen seinen Beratern.

Herr Lösche, vier Millionen neue Jobs und Vollbeschäftigung bis 2020, das verspricht SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Trifft er damit die Erwartungen der SPD-Wähler?



Das muss man abwarten, auf jeden Fall ist es nichts Neues. Die Grünen sind mit der Schaffung von Arbeitsplätzen in ihrer ökologischen Industriepolitik schon vorangeschritten, auch bei der CDU steht es ähnlich im Wahlprogramm. Jetzt hechelt die SPD hinterher und dreht nur alles konzeptionell etwas weiter in Richtung Vollbeschäftigung.

Also wieder ein Fehlschuss von Steinmeier – diesmal auf 67 Seiten?

Eben, 67 Seiten, das zeigt auch, wie viele Spiegelstriche es in diesem Papier geben wird. Es folgt dem Prinzip: allen wohl und niemand weh.

Warum das Ganze dann?

Es ist der verzweifelte Versuch der Sozialdemokraten, auf dem wirtschaftspolitischen Gebiet aufzuholen, denn hier liegt die CDU in ihren Kompetenzwerten deutlich vorn, was ein Problem ist für die SPD. Denn genau dieses Thema wird wahlentscheidend sein.

Heißt das Problem der SPD Steinmeier oder steht sich die Partei selbst im Weg?

Am wenigsten ist die gegenwärtige Lage der SPD auf eine Schwäche von Steinmeier zurückzuführen. Auch hat das alles nichts mit Pleiten, Pech und Pannen zu tun. Steinmeier ist kein Charismatiker, das ist Merkel aber auch nicht. Und vielleicht ist es auch gut so, dass wir derzeit keinen Charismatiker in Deutschland haben. Steinmeier ist nur kein Wahlkämpfer. Ihn bloß als Büroleiter abzustempeln, wäre ebenso falsch. Er ist auf vielen politischen Gebieten sehr kompetent, nur kann er das nicht nach außen vermitteln.
Aber er hat doch zahlreiche Berater?

Ja, aber er wird zu stark von zu vielen Leuten beraten. Das führt auch zu Spannungen zwischen den Beratern, zwischen denen aus dem Willy-Brandt-Haus und denen vom Auswärtigen Amt. Unklar ist zum Beispiel, wie viel Partei in den Wahlkampf eingebaut werden soll. Das hätten Steinmeier und Parteichef Müntefering frühzeitig klären müssen. Schließlich hatte die SPD das Problem konkurrierender Wahlkampfzentren auch 2005: das Kanzleramt und das Willy-Brandt-Haus. Doch da hat Schröder schnell für Klarheit zugunsten des Kanzleramtes gesorgt.

Das macht Steinmeier nicht?

Er ist keiner, der ein Machtwort spricht, sondern eine technokratischere Lösung wählt, indem er jemanden hat, der die beiden Zentren versucht zu koordinieren.

Also doch ein Problem Steinmeier?

Nein. Die SPD hat vor allem ein inhaltliches, strukturelles Problem.

Inwiefern?

Der SPD ist es nicht gelungen, sich in der großen Koalition zu profilieren und von der CDU abzusetzen. Ihr fehlt ein funktionales Äquivalent zur Ostpolitik im Vergleich zur ersten großen Koalition Ende der Sechzigerjahre. Damals konnte sich die SPD damit von der CDU absetzen.

Aber wo hätte das diesmal gelingen sollen?

Das ist genau das Problem. Die CDU hat sich der SPD angenähert und viele sozialdemokratische Positionen übernommen. Am deutlichsten wird das in der Familienpolitik.

War es also ein Fehler, das Familienministerium abzugeben?

Man hat damals nicht ahnen können, dass die Union so Profit daraus schlagen konnte. Denn im Prinzip setzt Familienministerin Ursula von der Leyen nur die Politik ihrer SPD-Vorgängerin Renate Schmidt um. Aber ja, und aus heutiger Sicht war es ein Fehler.

Hat die SPD Angela Merkel unterschätzt?

Ja, und nicht nur in diesem Punkt.

Peter Lösche (70) ist Politologe. Er lehrte an der Universität Göttingen und wurde 2007 emeritiert. Er lebt in Berlin. Das Gespräch führte
Christian Tretbar.

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