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Erst Hoffnungsträger - nun gescheitert? FDP-Chef Philipp Rösler.

© dpa

Parteitag: FDP-Mitglieder entscheiden über Röslers Zukunft

Vor dem Parteitag der Liberalen sind die Umfragewerte mies, die Stimmung ist noch schlechter. Auch Philipp Rösler kennt keinen Ausweg. Nun wird sein Schicksal als Parteichef ungewiss.

Von Antje Sirleschtov

So viel Post wie in den letzten Tagen haben die rund 64 000 Mitglieder der FDP schon lange nicht mehr bekommen. Zum Beispiel von Hans-Olaf Henkel, dem früheren BDI-Präsidenten. Oder von 47 namhaften deutschen Volkswirten. Alles kompetente Leute, deren ordnungspolitische Ansichten in der FDP seit Jahren hohes Ansehen genießen. Sie lauten etwa: „Europa darf keine Haftungsunion werden“ oder „die Grundsätze der Europäischen Verträge müssen in Zukunft wieder beachtet werden“.

Bis vor kurzem traf man auch in der FDP-Führung niemanden, der diesen Aufforderungen der Spitzenleute der Wirtschaftslehre widersprochen hätte. Das Problem ist nur: Jetzt unterstützen diese Gelehrten nicht mehr die FDP-Führung, sondern deren Widersacher Frank Schäffler. Der Bundestagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen hat einen Mitgliederentscheid durchgesetzt, dessen Ziel es ist, einen dauerhaften europäischen Rettungsschirm zu verhindern. Stimmen mindestens 30 Prozent der FDP-Mitglieder ab und mehr als die Hälfte davon für Schäfflers Anliegen, wäre die FDP in der schwarz-gelben Regierungskoalition nicht mehr handlungsfähig. Philipp Rösler, der FDP-Vizekanzler, wäre erledigt.

Die Materie um die Rettungsschirme ist kompliziert, die meisten FDP-Mitglieder sind keine Volkswirte. Es ist nicht leicht für Rösler und die Parteiführung, ihren Mitgliedern zu erläutern, dass alles nur noch schlimmer würde, wenn Deutschland jetzt keine Milliarden für Rettungsschirme ausgibt. Frank Schäffler hat es dagegen leicht. Er sagt: „Man kann eine Schuldenkrise nicht bekämpfen, indem man immer mehr Schulden macht.“ Das versteht jeder in der FDP. So ein Satz gehört ins liberale Weltbild.

Ein Betreuungsgeld für Mütter, die nicht arbeiten gehen wollen, und dafür eine Mini-Mini-Steuersenkung: So sieht, stark vereinfacht, der schwarz-gelbe Kompromiss aus, den Philipp Rösler vorige Woche mit Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) ausgehandelt hat. Oder soll man sagen: sich hat abringen lassen? Seit Jahren jedenfalls kämpfen die liberalen Familien- und Haushaltspolitiker gegen eine „Herdprämie“, wie sie das Betreuungsgeld der CSU nennen. Seit Jahren träumen die Liberalen genauso von einer ordentlichen Steuerentlastung. Auch wenn es kein Stufentarif mehr wird. Aber nur zwei Milliarden Euro zur Bekämpfung der kalten Progression und dann auch noch verteilt auf 2013 und 2014, wenn die Bundestagswahl vorbei ist und die FDP garantiert nicht mehr regiert?

Es gab nicht wenige, die das, was der FDP-Vorsitzende Rösler mit Merkel und Seehofer am Sonntag verabredet hat, als sehr faulen Kompromiss bezeichnen. Letzten Dienstag gelang es der FDP-Fraktionsspitze nur mit Mühe, den Unmut der Abgeordneten einzuhegen. Geliefert haben will Rösler mit diesem Paket der Zugeständnisse? So fragt einer der Abgeordneten später in Anspielung auf Röslers Versprechen vom letzten Parteitag sehr bitter und gibt sich die Antwort gleich selbst: „Geliefert sind wir damit selbst.“

Und dann auch noch EADS. Ein ordnungspolitischer Sündenfall, wie es Hermann Otto Solms im Sommer nannte, sollte die Bundesregierung auf die Idee kommen, dem Daimler-Konzern Anteile des europäischen Luftfahrtkonzerns abzukaufen. „Privat vor Staat“, lautete seinerzeit das Credo. Man erinnerte sich, wie einst Wirtschaftsminister Rainer Brüderle seiner Kanzlerin sagte, Opel werde mit einem Liberalen im Ministeramt keine Staatshilfen bekommen. Jetzt ist Philipp Rösler Wirtschaftsminister, das Kanzleramt hat sich im Dauerstreit um die EADS-Anteile offenbar durchgesetzt. Aus „industriepolitischen“ Gründen ringt sich nun der Wirtschaftspolitiker Martin Lindner die Zustimmung ab, „trotz ordnungspolitischem Selbstverständnis der FDP“. Lindner fordert „im Gegenzug“ den Verkauf von anderen Staatsanteilen an Großkonzernen. Wer’s glaubt.

Am Samstag erwartet die FDP beim Parteitag in Frankfurt eine Rede ihres neuen Vorsitzenden. Seit Rösler im Frühjahr FDP-Chef wurde, steckt die Partei im Umfragekeller fest. Auswege? Kennt niemand. Stimmung? Wird zusehends schlechter. Manch einer fürchtet, die FDP-Mitglieder könnten die Aufforderung zum Europa-Mitgliederentscheid, die sie dieser Tage per Post erreicht hat, als eine Art Volksabstimmung über den neuen FDP-Vorsitzenden missverstehen.

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