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Pflichtversicherung für Hochwasserschäden?: Wüst fordert bundesweite Einführung – Justizministerium blockt ab
NRWs Ministerpräsident und die Linke fordern angesichts der Hochwasserlage eine Pflichtversicherung für Elementarschäden. Doch das Justizministerium sieht eher die Länder in der Pflicht.
Stand:
Angesichts vollgelaufener Keller und verschlammter Wohnungen fordern Bayerns Regierung sowie NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst eine Pflichtversicherung für Elementarschäden. Die Länder sind sich laut dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder einig, es stocke aber beim Bund und insbesondere der FDP.
Die Pflichtversicherung für Elementarschäden ist seit Jahren heftig umstritten. Bislang ist eine Versicherung gegen Schäden durch Naturkatastrophen freiwillig – und oft sehr teuer. In manchen Risikoregionen ist sie gar nicht zu bekommen.
Hochwasserschäden: Wüst und Linke fordern Pflichtversicherung
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) nimmt bei seiner Forderung nach einer Pflichtversicherung für Elementarschäden den Bundeskanzler in die Pflicht. „Deutschland steht im Dauerregen, doch der Kanzler spannt den Regenschirm nicht auf. Ich habe die klare Erwartung, dass Olaf Scholz jetzt zu seinem Wort steht und eine Pflichtversicherung für Elementarschäden einführen wird“, sagte Wüst am Montag der Deutschen Presse-Agentur.
Deutschland steht im Dauerregen, doch der Kanzler spannt den Regenschirm nicht auf.
Hendrik Wüst, CDU
„Das Hochwasser in Süddeutschland zeigt uns einmal mehr: Wir werden uns in Deutschland an Extremwetterereignisse als Teil unseres Alltags gewöhnen müssen. Eine Pflichtversicherung für Elementarschäden wäre jetzt die richtige finanzielle Schadensvorsorge“, so Wüst.
Er ergänzte: „Die Länder sind sich einig, der Ball liegt nun bei der Ampel. Der Kanzler muss jetzt endlich ins Handeln kommen und Verantwortung übernehmen.“ Ein nochmaliges Verschieben bezeichnete Wüst „nach den Jahren des Nicht-Handelns“ als nicht akzeptabel. Mit einer Pflichtversicherung würde man „auch im Sinne des Steuerzahlers handeln, der nach den jetzigen Regelungen immer wieder für Milliardenschäden geradestehen muss“, so der Politiker.
Auch die Linke fordert eine Pflichtversicherung für Elementarschäden und eine Aussetzung der Schuldenbremse. Um vor Unwägbarkeiten besser zu schützen, sei eine solidarische Versicherung mit bezahlbaren Beiträgen nötig, sagte Parteichef Martin Schirdewan am Montag in Berlin.
Pflichtversicherung auf Agenda der Länderchefs
Am 20. Juni trifft sich Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Ministerpräsidenten der Länder. Geplant sind Beratungen auch über die Pflichtversicherung. Bis dahin sollen die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe mit Vertretern von Bund, Ländern und Experten zum Thema vorliegen. Sie hatte im Herbst 2023 mit Beratungen begonnen.
Die Länder hatten über den Bundesrat die Bundesregierung bereits vor mehr als einem Jahr aufgefordert, einen Vorschlag für eine bundesgesetzliche Regelung zur Einführung einer Pflichtversicherung vorzulegen.

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Bundesregierung sieht Pflichtversicherung kritisch
Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP wird wohl keine Pflichtversicherung gegen Gebäudeschäden bei Überschwemmungen und Starkregen mehr auf den Weg bringen.
Ein Regierungssprecher verwies zwar am Montag darauf, dass Kanzler Olaf Scholz das Thema bei der nächsten Runde mit den Ministerpräsidenten am 20. Juni besprechen wolle. Eine Sprecherin des FDP-geführten Bundesjustizministeriums und FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai machten jedoch deutlich, dass es deutliche Vorbehalte gegen eine Pflichtversicherung gibt.
Damit sind die Chancen auf eine von den Ländern geforderte Bundesregelung in dieser Legislaturperiode nur gering. Die Sprecherin des Justizministeriums verwies darauf, dass die 16 Bundesländer jeweils einzelne Regelungen für eine Pflichtversicherung beschließen könnten.

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Justizministerium befürchtet Mehrbelastungen
Laut Bundesjustizministerium wäre eine solche Versicherungspflicht für viele Haushalte „mit drastischen finanziellen Mehrbelastungen verbunden“, sagte eine Ministeriumssprecherin am Montag in Berlin in der Bundespressekonferenz. Sie könnte nicht verhindern, dass solche Elementarschaden-Großereignisse eintreten.
Eigentümerverband sieht Pflichtversicherung kritisch
Der Eigentümerverband Haus & Grund sprach sich zwischenzeitlich gegen eine Pflichtversicherung aus. „Eine Pflichtversicherung verhindert keinen einzigen Schadensfall“, sagte Verbandspräsident Kai Warnecke laut einer Mitteilung.
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Im Mittelpunkt sollten ihm zufolge stattdessen Schutzmaßnahmen gegen Starkregen und Überflutungen stehen. Als Beispiel nannte der Verband unter anderem Bauverbote in hochgefährdeten Gebieten sowie die Einführung einer für die Öffentlichkeit einsehbaren Risikoanalyse. Dennoch sei laut Warnecke eine Elementarschadenversicherung sinnvoll. Sie schütze vor existenziellen finanziellen Folgen.
Was wären die Vorteile einer Pflichtversicherung?
Hochwasser, Überschwemmungen und Überflutungen werden wegen des Klimawandels in Zukunft immer häufiger sein – seit der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 fordern deshalb schon Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine Pflichtversicherung für alle privaten Wohnungseigentümer unabhängig von der Gefährdungsklasse. Menschen in sicheren Regionen würden so Versicherungen für Menschen in Risikoregionen günstiger machen.
NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) sagte dazu kürzlich im WDR, aktuell würden die Kosten von Naturkatastrophen vom Steuerzahler getragen – „die Bürger werden sowieso indirekt zur Kasse gebeten“.

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Was sind die Nachteile einer Pflichtversicherung?
Vor allem die FDP ist gegen die Pflichtversicherung. Ihr Justizminister Marco Buschmann argumentiert, eine solche Pflicht würde die Wohnkosten für alle erhöhen, weil Eigentümer die Kosten auf Mieterinnen und Mieter abwälzen würden. Der Eigentümerverband Haus & Grund betont, eine Pflichtversicherung verhindere keinen einzigen Schadensfall.
Was schlagen die Versicherer vor?
Der GDV legte 2021 nach der Ahrtalkatastrophe ein „Gesamtpaket“ vor. Die Unternehmen schlagen eine Kombination aus weiterhin freiwilliger Versicherung, Beteiligung des Staates im Katastrophenfall und mehr staatlichen Investitionen in Schutzmaßnahmen vor.
Bereits geschlossene Gebäudeversicherungen würden zu einem Stichtag automatisch auch Elementarschutz enthalten – sofern die Kunden nicht widersprechen. Der GDV fordert zudem „klare Bauverbote“ in hochwassergefährdeten Gebieten.
Dies Paket wäre laut Verband schneller umzusetzen als eine Pflichtversicherung, mit weniger „Eingriffen in einen funktionierenden Markt für Naturgefahrenversicherungen“. (AFP, dpa, Tsp)
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