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Politik: Pilotenwitwe Wichmann berichtet vor dem Untersuchungsausschuss

Die vielen Kameraleute warteten mehr als eine halbe Stunde vergeblich. Doch die Pilotenwitwe ist schon viel früher durch einen Hintereingang in den Landtag geführt worden, und auch den Verhandlungssaal betritt sie unbemerkt, weil eigens für sie eine Fluchttür geöffnet worden ist.

Die vielen Kameraleute warteten mehr als eine halbe Stunde vergeblich. Doch die Pilotenwitwe ist schon viel früher durch einen Hintereingang in den Landtag geführt worden, und auch den Verhandlungssaal betritt sie unbemerkt, weil eigens für sie eine Fluchttür geöffnet worden ist. Das Blitzlichtgewitter findet darauf im Saale statt, und weil der Vorsitzende offenbar besonderes Verständnis für die Kollegen der Bildmedien zeigt, beginnt er die Verhandlung mit reichlicher Verspätung. Selbst als Abgeordnete murren und endlich beginnen wollen, blättert der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Rolf Hahn, seelenruhig in den Akten - den unzähligen Kameras entgeht keine Bewegung des Juristen.

Sabine Wichmann verfolgt das Spektakel ungerührt. Seit sie den "Spiegel" exklusiv über ihr Wissen über die verschiedenen Flüge der Landesgrößen mit den Jets ihres inzwischen verstorbenen Mannes informiert, lebt sie auf der Flucht vor anderen Vertretern der Zunft. "Nein, ich sage nichts dazu", lautet ihre Antwort. Als die Kameras den Saal verlassen haben, zeigt sie sich gesprächig. 1988 war die heute 33-Jährige zu "Privat Jet Charter" gekommen, sie hat sich bei ihrem späteren Mann Peter Wichmann auf eine Zeitungsanzeige hin beworben. Als Stewardess lernt sie Nordrhein-Westfalens Spitzenpolitiker kennen. Schnell kommt sie auf Finanzminister Heinz Schleußer zu sprechen. "Der ist Ende der 80er Jahre mit weiblicher Begleitung nach Split geflogen", erzählt sie. An diesen Flug erinnere sie sich besonders gut, fügt sie hinzu, weil man sich über den Altersunterschied zwischen Schleußer und dessen Begleiterin unterhalten habe.

In den Reihen der sozialdemokratischen Ausschussmitglieder nimmt wegen dieser Aussage die Nervosität zu. Man blättert eifrig in den verschiedenen Listen über die Flüge der Landesregierung mit dem West-LB-Service. "Ja alle Rechungen gingen an die West-LB", hatte die Witwe vorher schon erklärt, auch für die Politikerflüge. Sabine Wichmann glaubte sich auch noch präzise zu erinnern, dass Segelfan Schleußer insgesamt dreimal nach Split und jeweils 1995 und 1996 nach Brac gefolgen ist. Diese Reiseziele findet man schnell, zu allen Flügen hatte Schleußer sich eindeutig geäußert: "Ich bin privat nach Brac geflogen, die beiden Flüge habe ich bezahlt, Split war jeweils im Zusammenhang mit verschiedenen politischen Terminen", hatte Schleußer erklärt. Doch der Direktflug Düsseldorf-Split, von dem die Zeugin berichtet, taucht nirgendwo auf; weder in der Liste der Landesregierung noch bei der West-LB und auch nicht in der bisher geheimen Übersicht der Steuerfahnder, die dem Ausschuss vorliegt.

Ob es Freiflüge gegeben haben könne, will ein Ausschussmitglied wissen, doch das schließt die Pilotenwitwe aus: "Nein, wir haben immer abgerechnet." Finanzminister Schleußer hatte auch bestritten, in weiblicher Begleitung zu seinem Boot geflogen zu sein. Die Mitarbeiter des Finanzministers, die vor der Tür des Ausschusses warten, bleiben trotz dieser Belastung durch Sabine Wichmann ruhig; sie wissen, dass ihr Minister das Amt verliert, wenn er in diesem Punkt die Unwahrheit gesagt haben sollte.

Sabine Wichmann bringt noch einen Flug ins Gespräch, der sich auf keiner der bisher vorliegenden Listen findet. "Ich weiß, dass Herr Rau nach Wittmund oder in die Nähe geflogen ist, weil ich mich um die Fähre nach Spiekeroog gekümmert habe", berichtet die junge Frau, die sich auch daran erinnert, dass Heinz Schleußer genau diese Strecke einmal mit ihrem Mann geflogen ist, weil er Johannes Rau nach dessen Krebsoperation in seinem Ferienhaus auf der Insel besucht hat - auch diesem Phantomflug muss der Ausschuss nachgehen. Ganz sicher ist sie sich auch, dass Bankchef Friedel Neuber mit Frau einmal das Ehepaar Rau mit nach Wien genommen hat: "Am nächsten Morgen ging es Frau Neuber nicht gut, ihr war die Weinprobe nicht bekommen."

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