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Politik: Planet ohne Affen

Das Universum der Künstlerin Sabine Raetsch

Noch eigenwilliger als alle anderen Bilder ist ihr Werk „Kaos und Kamille“. Die Potsdamer Künstlerin Sabine Raetsch, die derzeit in der Urania ausstellt, hat es vor Jahren auf ein altes Baubrett gemalt. Wie es bereits im Bildtitel anklingt, ist die übliche Ordnung auf dem Wege der Kunst aus den Fugen geraten. Im konkreten Fall bilden ein rechtschaffen erschöpft dreinschauender Gott Vater und ein Teufel, träumerisch versunken in den Anblick einer Kamille, ein unkonventionelles Gespann. Ein Beispiel dafür, wie es Sabine Raetsch immer wieder in den Fingern juckt, eine allzu eindeutige Verteilung von Gut und Böse, Schön und Unheilvoll, gegen den Strich zu bürsten. Die Kunst ist ihr willkommener Freiraum, in dem für sie alles möglich wird. Und so verwundert es nicht, dass ihre Ausflüge in andere Welten immer neue phantastische, geheimnisvolle Landschaften heraufbeschwören.

Die Bilder, die Sabine Raetsch für ihre Einzelausstellung in der Urania ausgewählt hat, gewähren uns Einblicke in den Kosmos, den sie in sich trägt. Es ist ein überaus farbiger, sinnenfroher Planet, den die Künstlerin bewohnt und nachts, wenn sie die Ruhe zum Malen findet, nicht müde wird, in immer neue Richtungen auszukosten. Die eigene Kunst schenkt ihr nicht zuletzt auch innere Kraft für die vielfältigen Aktivitäten, die seit nunmehr zwei Jahrzehnten zu einem Großteil in den von ihr gegründeten bestens florierenden Offenen Kunstverein strömt. Kunst – und das vermittelt Sabine Raetsch auch ihren Eleven – ist vor allem eins: Begegnung mit sich selbst und eine kostbare Quelle, die einem niemand streitig machen kann.

Die Freude, die sie selbst empfindet, wenn sie mit der Sprache der Kunst neue Welten erfindet, haucht die 1957 geborene Potsdamerin jedem ihrer Bildschöpfungen ein. In diesem Jahr sind eine ganze Reihe von Monotypien entstanden. Auf der Basis dieses Druckverfahrens mittels Einsatz von Glasplatte und Papier entstehen die gezeigten Kompositionen, deren malerische Wirkung sich einem speziellen Mix aus Wasserfarbe, wasserlöslichen Wachskreiden und großem Farbgespür verdankt. Paradiesvögel, Wasserfälle, bunt gestreifte Palmen mit riesenhaften Früchten bevölkern diesen Planeten, wo (noch) kein Affe Einzug hielt. Wenn Sabine Raetsch ihre Innenwelten nach außen kehrt, breiten sich exotische Landschaften aus. Tiere, Pflanzen – manchmal auch Menschen – vermählen sich in Traum geborener Wirklichkeit. Die Imagination der Künstlerin führt heran an eine Schwelle, wo wilde Schönheit und mögliche Gefahr, Rätselhaftigkeit und arkadische Stimmungen einander begegnen. Zwischen sinnlicher Freude, überbordender Schöpfung, heimlicher Sehnsucht und leiser Melancholie bewegen sich ihre neuen Bilder.

In der Ausstellung hat ihnen die Künstlerin einige Arbeiten aus vorangegangenen Jahren gegenübergestellt. So sind aus ihrer intensiven Auseinandersetzung zum Thema „Fliegen“ im vergangenen Jahr mit Kindern und Jugendlichen zahlreiche Bilder hervorgegangen, die die Welt von oben zeigen. Diese Draufsichten, etwa auf einen Vulkan oder ein Mondtal, sind sehr poetisch und folgen einer malerisch in neue Richtungen fließenden Logik. Noch einmal ganz anders sind jene früheren Bilder, in denen sich die reiche Phantasie von Sabine Raetsch an der griechischen Mythologie nährte. Von ganz eigenem Ausdruck daher „Die drei Schicksalsschwestern“ und „Die Geburt des Eros“. Wie der Vogel dem Mythos nach das goldene Ei in den Schoß der Dunkelheit fallen lässt, wird von der Künstlerin geradezu märchenhaft erzählt. Almut Andreae

Öffnungszeiten der Ausstellung „Planet ohne Affen“ bis zum 17. 9.; Mo/Di/Do 9-18 Uhr, Mi/Fr 9-13 Uhr, Urania Potsdam, Gutenbergstraße 71/72

Almut Andreae

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