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Politik: POLEN

Die Szene wächst.

Ein großes grünes Hakenkreuz zierte ausgerechnet am 1. September unversehens in Jedwabne den Gedenkstein für die dort vor 70 Jahren von Polen ermordeten Juden. Niemand will die Täter bemerkt haben, die den Gedenkstein ein paar Tage zuvor schon mit den Aufschriften „Wir entschuldigen uns nicht für Jedwabne!“ und „Sie waren leicht brennbar“ beschmierten. Die Polen hatten ihre Nachbarn im Juli 1941 bei dem Pogrom in eine Scheune gesperrt und lebendigen Leibes verbrannt. Anfang August schmierten Unbekannte „Jude raus“ und „Polen den Polen“ an die Außenwand der Synagoge des ostpolnischen Dorfes Orli.

Rechtsextreme Übergriffe in der nordostpolnischen Wojwodschaft Podlaskie – eines der wenigen Gebiete in Polen mit einem hohen Anteil nationaler Minderheiten (Tataren, Juden, Ukrainer, Weißrussen und Litauer) – machen den Ermittlern bereits seit Sommer zu schaffen. Zuerst wurden an der Grenze zu Litauen zweisprachige Ortsschilder beschmiert. Eine Gruppe namens „Falanga“ bekannte sich auf einem Gedenkstein in Punskas (polnisch: Punsk) zu den Schmierereien, doch verhaftet werden konnte niemand. Sei es, weil selbst in den litauischen Minderheitsgebieten bei der Polizei fast nur Polen arbeiten, sei es, dass die Täter hochprofessionell vorgingen. Zuvor war im nahen Krynki eine Synagoge beschmiert worden. Auch ein vereitelter Brandanschlag auf ein moslemisches Zentrum in Bialystok wurde verzeichnet. Die Polizei tappt in allen Fällen im Dunkeln. Die starke rechtsextreme Szene in Bialystok ist eng mit den Fußballhooligans des örtlichen Clubs und lokalen Halbweltgestalten verbunden.

Noch sind die rechtsextremen Übergriffe nicht tödlich, doch die Gewalt nimmt seit Jahren zu. Am Nationalfeiertag vom 11. November versammelten sich so viele Rechte wie nie zuvor zum traditionellen Gedenkmarsch – schätzungsweise 10 000 (im Vorjahr waren es noch rund 3500). Offen antisemitische Slogans wurden von den Veranstaltern, der rechtsextremen „Allpolnischen Jugend“, verboten. Dafür gelang der radikalen Avantgarde der Schulterschluss mit rechten Mainstreamparteien wie Jaroslaw Kaczynskis „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS). Diese wiederum hatte sich schon während des Wahlkampfs gewaltbereiten Fußballhooligans angedient. Wichtige PiS-Politiker lobten die Hooligans als „gute Patrioten“, die PiS mobilisierte sie für Kundgebungen gegen die verhasste liberale Regierung von Donald Tusk.

Wie viele polnische Rechtsradikale es gibt, ist unbekannt. Eines jedoch ist klar: Die Szene geht immer offensiver vor. Neben der antisemitischen Partei „Nationale Wiedergeburt Polens“ ist vor allem das „Nationalradikale Lager“ aktiv. Etwas moderater gibt sich die einstige Jugendorganisation „Allpolnische Jugend“ der rechtsextremen und ultra-katholischen „Polnischen Familienliga“. Paul Flückiger

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