zum Hauptinhalt

Politik: Polens neuer Premier will Staatshaushalt sanieren Miller gibt Amt an

früheren Finanzminister Belka ab

Warscha u. Einen Tag nach dem EU-Beitritt ist in Polen eine neue Regierung vereidigt worden. Der frühere Finanzminister Marek Belka wurde von Präsident Aleskander Kwasniewski am Sonntag zum Regierungschef und Nachfolger des zurückgetretenen Sozialdemokraten Leszek Miller ernannt. Noch vor seiner Ernennung hatte der parteilose Wirtschaftsfachmann die Sanierung der Staatsfinanzen, den Abschluss der Verhandlungen über die EU-Verfassung, die Reform des Gesundheitswesens und eine beschleunigte Privatisierung als wichtigste Ziele seiner Regierung genannt. In sein neues Kabinett hat der 52-Jährige außer Außenminister Wlodimierz Cimoszewicz und Wirtschaftsminister Jerzy Hausner vier weitere Minister der Vorgänger-Regierung berufen. Ob er für seine Minderheitsregierung eine Parlamentsmehrheit erhält, ist allerdings ungewiss: Innerhalb von zwei Wochen muss Belka im Sejm die Vertrauensfrage stellen.

Vor seinem Abgang würdigte sich der glücklose Ex-Premier Leszek Miller noch einmal selbst. Zweieinhalb Jahre lang sei er für fast alles kritisiert worden, doch ihr wichtigstes Ziel habe seine Regierung mit dem erfolgreichen Beitritt Polens zur EU erreicht, Miller verwies in seiner Abschiedsrede am Sonntag zugleich auf das anziehende Wachstum und den kräftig gestiegenen Export. Polen stehe besser als vor seinem Amtsantritt da, beteuerte der 58-Jährige und sagte: „Ich bin stolz, dass ich diese Regierung führen konnte.“

Miller hinterlässt seinem Nachfolger ein schwieriges Erbe. Die auf über 20 Prozent gestiegene Arbeitslosigkeit hat den europaskeptischen Protestparteien des Landes enormen Zulauf beschert: Umfragen zufolge können sie derzeit auf fast 40 Prozent der Stimmen rechnen. Eine lange Kette von Skandalen hat den Belka unterstützenden Sozialdemokraten nicht nur ein Umfragetief beschert, sondern hat sie auch gespalten: Nach der Gründung der neuen Linkspartei SDPL Ende März muss die SLD bei Neuwahlen gar um den Wiedereinzug in den Sejm fürchten.

Mindestens ein Amtsjahr habe er zur Umsetzung seines Programms nötig, sagt der Pragmatiker Belka und weist Forderungen der Opposition nach einem frühzeitigen Urnengang zurück. Doch findet er für sein Regierungsprogramm in den nächsten zwei Wochen keine Mehrheit, scheinen vorgezogene Neuwahlen unausweichlich. Selbst bei Wahlen im August oder September könnte Belka jedoch als geschäftsführender Premier noch einige Monate im Amt bleiben, weil das Suchen einer Regierungsmehrheit zeitraubend sein könnte.

Thomas Roser

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false