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Politikerabrechnungen: Slip-Einlagen für den Einwanderungsminister

Die Rechnung der Innenministerin für die Pornos ihres Ehemanns war erst der Anfang. Jetzt amüsieren sich die Briten über Slip-Einlagen für den Einwanderungsminister, Klodeckel für den schwergewichtigen früheren Vizepremier und die 6700 Pfund, die Premierminister Gordon Brown seinem Bruder für Reinigungsarbeiten bezahlte.

Die Details aus dem Abrechnungsbüro des Unterhauses, die der „Daily Telegraph“ täglich über Seiten ausbreitet, haben aber einen knallharten Kern. Mitten in der Dauerkrise der Labourregierung, Wochen vor der Europawahl, wird der letzte Respekt ausgehöhlt, den Briten für ihre Politiker haben. „Die parlamentarische Demokratie ist in der Krise“, schreibt der Independent. „Skandal im Herzen unserer Demokratie“, analysiert der „Telegraph“, der ein System enthüllte, das für maximalen Gewinn gemolken und sogar für Grundstücksspekulationen genützt wird. In der Privatwirtschaft „wäre das halbe Kabinett gefeuert und die Polizei gerufen worden“, schimpfte der frühere Anti-Filz-Parlamentarier Martin Bell.

Vier Jahre lang kämpfte Parlamentspräsident Michael Martin vor Gericht gegen den Antrag einer Bürgerin, alle Abgeordneten-Spesen zu veröffentlichen. Er verlor. Im Sommer sollten die Abrechnungen nach parlamentsinterner „Redaktion“ veröffentlicht werden. Doch der „Telegraph“ beschaffte sich die Daten und veröffentlicht sie ungesäubert. Die „Times“ erklärte, sie habe den Kauf der Daten für 300 000 Pfund abgelehnt.

So umstritten die Aktion ist, die Informationen sind eine journalistische Goldgrube. Man erfährt etwa, wie Justizminister Jack Straw kurz nach dem Gerichtsentscheid einfiel, dass er zu viel Gemeindesteuer abrechnete. Wohnadressen, die unkenntlich gemacht worden wären, zeigen, wie das System für Immobiliengewinne genutzt wurde. Während deutsche Abgeordnete eine einheitliche Kostenpauschale haben, können britische Parlamentarier alle Nebenkosten im Zusammenhang mit einem Zweitwohnsitz im Wahlkreis oder in London abrechnen.

Wohnungen wurden gekauft, auf Kosten der Steuerzahler renoviert und mit Gewinn weiterverkauft. „Alles im Rahmen der Regeln“, beteuerte Gemeinschaftsministerin Hazel Blears, die in einem Jahr drei verschiedene Wohnsitze bezuschussen ließ. Jahrelang diente das System stillschweigend dazu, das niedrige Abgeordnetensalär von 64 766 Pfund (71 000 Euro) nachzubessern. Nun müssen sich Politiker, die das Land zur Sparsamkeit aufrufen, im Fernsehen wie beschämte Schulkinder verteidigen. Rücktritte sind nicht ausgeschlossen. Brown versuchte vor zwei Wochen, eine tägliche Anwesenheitspauschale wie im ähnlich wegen Abzocke verrufenen Europaparlament einführen. Er erlitt eine Abstimmungsniederlage. Aber alle sind sich einig, dass das Unterhaus schleunigst ein neues, transparentes System der Abgeordnetenbezahlung braucht. 

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