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Die Thüringer Spitzengrüne Katrin Göring-Eckardt beklagt die mangelnde Repräsentanz von Ostdeutschen in der Partei- und Fraktionsspitze.

© imago/Metodi Popow

Exklusiv

Die Grünen vergessen Politiker aus dem Osten: Göring-Eckardt kritisiert Postenvergabe im Fraktionsvorstand

Der Osten ist für die Grünen weiterhin Diaspora. Die Partei will das ändern. Bei der Postenvergabe zeigt sich das jedoch nicht. Die frühere Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt ist unzufrieden.

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Nur 7,9 Prozent haben Bündnis 90/Die Grünen bei der Bundestagswahl in Ostdeutschland geholt – Berlin eingerechnet. Abseits der großen Städte wie Leipzig, Jena und Potsdam sind die Bundesländer auf dem Gebiet der ehemaligen DDR für die Partei wieder weitgehend Diaspora. Ein Versuch der früheren Parteichefs Robert Habeck und Annalena Baerbock, die Bündnisgrünen hier stärker zu etablieren, misslang. Zuletzt flogen die Grünen aus den Landtagen in Thüringen und Brandenburg.

Umfassendere Oststrategie

Mit einem neuen Strategiepapier will der aktuelle Parteivorstand um die Vorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak nun die Wende im Osten schaffen. In dem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, wird den ostdeutschen Landesverbänden unter anderem ein Festival „jenseits von Ostalgie“ versprochen.

Die kleinen Ost-Landesverbände sollen außerdem Hilfe beim Fundraising erhalten. Für einen späteren Zeitpunkt verspricht der Bundesvorstand eine umfassendere Oststrategie sowie Hilfe für die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt im Landtags-Wahlkampf 2026.

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Zündende Ideen, wie die Grünen im Osten aus der Nische herausfinden, sind dem Papier aber kaum zu entnehmen. Die Initiative des Bundesvorstands steht zudem im scharfen Kontrast zu den Entscheidungen der Bundestagsfraktion. In deren Spitze werden ostdeutsche Abgeordnete in dieser Legislaturperiode kaum präsent sein.

So soll der offene Fraktionsvize-Posten für Gesundheit, Forschung und Familie nach Tagesspiegel-Informationen an die bisherige Innenpolitikerin Misbah Khan aus Rheinland-Pfalz gehen. Die Leipziger Ärztin Paula Piechotta hat die Fraktionsspitze nicht für den Posten nominiert. Die übrigen Fraktionsstellvertreter Andreas Audretsch, Agnieszka Brugger, Konstantin von Notz und Julia Verlinden wollen weitermachen. Sie kommen ebenso wie mögliche Gegenkandidaten allesamt aus dem Westen.

Allenfalls in der zweiten Reihe könnte Claudia Müller aus Mecklenburg-Vorpommern eine von drei parlamentarischen Geschäftsführerinnen werden – hinter der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin Irene Mihalic, die ebenso wie die beiden Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann aus Nordrhein-Westfalen stammt.

Göring-Eckardt gefrustet

Bei ostdeutschen Spitzenpolitikern löst die Entscheidung Frust aus. „Unser Anspruch als Bündnis 90/Die Grünen muss sein, Politik für alle Menschen zu machen: in Ost wie West, in Nord wie Süd, in Stadt wie Land. Da müssen wir besser werden“, sagt die frühere Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt dem Tagesspiegel.

Sie verweist darauf, dass in den Spitzen von Partei und Fraktion Politiker aus Hessen, Baden-Württemberg und fünf Mal Nordrhein-Westfalen vertreten sind, die allesamt in großen Städten leben. Einziger Ostdeutscher im Parteivorstand ist Heiko Knopf auf Jena, der vor allem in die Partei hinein wirkt und einem breiteren Publikum kaum bekannt ist.

Ich erwarte bei der künftigen Aufstellung der Bundestagsfraktion, dass unsere profilierten ostdeutschen Köpfe im Bundestag sichtbare Vorstands- und Sprecherposten bekommen.

Wolfram Günther, Abgeordneter der Grünen im sächsischen Landtag

Angesichts der Herkunft des Spitzenpersonals hält es Göring-Eckardt, deren früheren Posten nun der Hesse Omid Nouripour besetzt, für folgerichtig, dass die Grünen „als westdeutsch orientierte Stadtpartei wahrgenommen werden“.

In Ostdeutschland könne man lernen, wie Menschen Veränderungen gestalten und bewältigen und wie man die Demokratie gegen ihre Feinde verteidigt, betont Göring-Eckardt. Am besten habe man diese Perspektiven deshalb immer und selbstverständlich am Tisch.

Starke Posten für die wenigen ostdeutschen Abgeordneten im Bundestag fordert auch der sächsische Grünen-Politiker Wolfram Günther ein: „Ich erwarte bei der künftigen Aufstellung der Bundestagsfraktion, dass unsere profilierten ostdeutschen Köpfe im Bundestag sichtbare Vorstands- und Sprecherposten bekommen.“ Die neue Bundesregierung, mit vielen Personen aus NRW, brauche eine grüne Opposition, „die auch die ostdeutschen Interessen laut einfordert“.

Katharina Horn, die Grünen-Vorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern, zeigt sich dagegen zuversichtlich, dass die Fraktionsvorsitzenden aus NRW, Dröge und Haßelmann, enge Rücksprache mit den ostdeutschen Landesverbänden halten und deren Interessen artikulieren werden. „Ich bin zudem optimistisch, dass Claudia Müller ostdeutsche Interessen im Fraktionsvorstand hervorragend vertreten wird.“

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