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Präsidentenwahl: Lob für Gauck von vielen Seiten

Auch die FDP freut sich über den zweiten Bundespräsidenten-Kandidaten. Hat Joachim Gauck mehr Chancen, als er selbst glaubte?

Berlin - Es ist, als hätte sich die ganze Republik plötzlich gegen Christian Wulff verschworen: Die Sonntagszeitungen widmeten sich einmütig wie selten Wulffs Gegenkandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, Joachim Gauck – die meisten mit positivem Unterton. Sogar aus der Union verlauteten Sympathiebekundungen für Gauck, der von SPD und Grünen ins Rennen geschickt wird. Und in der Linkspartei gibt es erste versöhnliche Töne in Richtung des früheren DDR-Bürgerrechtlers und Chefs der Stasi-Unterlagenbehörde.

Wulff, noch niedersächsischer Ministerpräsident, ist Kandidat der Regierungskoalition. In der FDP fand sich am Wochenende aber kaum jemand, der sich hinter ihn stellen wollte. Beinahe aus jedem Landesverband der Republik – ob Ost oder West – machten Politiker ihrer Wut darüber Luft, dass die FDP-Führung sich der Nominierung eines Kandidaten aus einer Gruppe von Unions-„Parteisoldaten“ gefügt hatte, wie es in Thüringen hieß.

Erst am Sonntagmittag gab es aus Mecklenburg-Vorpommern doch noch ein liberales Votum für den Koalitionskandidaten Wulff: „Ich denke, dass ein junger Bundespräsident wie Wulff die bessere Wahl ist“, sagte der FDP-Landesvorsitzende Christian Ahrendt. Gauck habe selbst einmal geäußert, mit 70 solle man kein öffentliches Amt mehr anstreben. Allerdings sei auch er ein sehr respektabler Kandidat. Ein klares Bekenntnis klingt anders. Wulff selbst ist sich seines Sieges denn auch keineswegs sicher. Sicher werde er erst sein können, „wenn die Mehrheit verkündet ist“, sagte er der „Bild am Sonntag“.

In der Opposition rumort es aber ebenfalls. Die Linkspartei verübelt der SPD, sie nicht vorab in ihre Kandidaten-Überlegungen einbezogen zu haben. Erst als die Entscheidung von SPD und Grünen für Gauck schon gefallen war, wurde sie informiert. „Herr Gabriel hat mich am vergangenen Donnerstag um kurz nach 19 Uhr angerufen – nachdem er mit der Kanzlerin gesprochen hatte“, sagte die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, dem Tagesspiegel. Gauck ist für sie nach wie vor nicht wählbar. Am Dienstag will die Parteiführung der Bundestagsfraktion, den Landesvorsitzenden und Landesfraktionsspitzen nahelegen, eine eigene Kandidatin aufzustellen. In Linken-Parteikreisen wird der Name Daniela Dahn gehandelt. Die Schriftstellerin wurde schon einmal für ein hohes Amt ins Gespräch gebracht: 1998 sollte sie für den Posten des Verfassungsrichters in Brandenburg kandidieren, die Partei zog aber nach Auseinandersetzungen ihren Vorschlag zurück.

Bodo Ramelow, Fraktionschef in Thüringen, hat eine andere Favoritin: Margot Käßmann. Die frühere niedersächsische Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzende verkörpert für ihn sehr menschliche Züge, als Person mit Ecken und Kanten. Und mit ihrer Ablehnung des deutschen Afghanistaneinsatzes vertrete sie linke Positionen. Sollte es zu einem dritten Wahlgang kommen, stellten sich für ihn „manche Fragen aber nochmal anders“: Ramelow lässt das Argument, Gauck sei als Ex-Chef der Stasi-Unterlagenbehörde tabu, nicht gelten. Er kritisiert zwar, Gauck sei bisher lediglich als Aufklärer hervorgetreten, in seiner Funktion als Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde und in der Auseinandersetzung mit der 68er-Bewegung – nicht jedoch als Versöhner. Auch habe er Stasi-Akten „instrumentell eingesetzt“, etwa im Fall des Linkenpolitikers Gregor Gysi. Doch: „Wenn Herr Gauck den Willen hätte, mit uns ernsthaft zu reden, müssten wir uns dem Gespräch stellen.“

Vize-Parteichefin Halina Wawczyniak sprach sich indes wie schon die Parlamentarische Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann gegen eine eigene Kandidatin aus: „In dieser Frage sollten wir uns nicht verkämpfen“, sagte Wawczyniak dem Tagesspiegel. (Mitarbeit Sabine Beikler)

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