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Der emeritierte Papst Benedikt XVI. im Juni 2020

© dpa/Sven Hoppe/Pool

Update

„Strömung, die Person und Werk zerstören will“: Privatsekretär Gänswein sieht Kampagne gegen Benedikt

Auch Benedikts zweite Äußerung zum Münchner Missbrauchsgutachten stößt auf viel Kritik. Sein Privatsekretär glaubt, dass es manchen um eine Abrechnung gehe.

Papst Benedikts Privatsekretär Georg Gänswein sieht rund um das Münchner Missbrauchsgutachten eine Kampagne gegen den emeritierten Pontifex. „Es gibt eine Strömung, die die Person und das Werk zerstören will“, beklagte der Erzbischof in einem Interview der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“.

Gewisse Leute hätten nie die Person, die Theologie und das Pontifikat Benedikts geliebt, meinte Gänswein. Für die Kritiker sei nun „die ideale Gelegenheit, abzurechnen“ und das Andenken des Papstes zu verfluchen („damnatio memoriae“), behauptete der 65-Jährige und ergänzte: „Leider lassen sich viele von diesem feigen Angriff täuschen, es gibt hier viel Dreck. Das ist eine traurige Sache.“

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In dem Gutachten um jahrzehntelangen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen wird Benedikt XVI. (94) aus seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising (1977-1982) vorgeworfen, bei vier Fällen falsch gehandelt zu haben.

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Für Empörung sorgte, dass er in seiner Stellungnahme für das Gutachten abstritt, an einer brisanten Sitzung 1980 teilgenommen zu haben. Nachdem ihm die Teilnahme aber durch ein Protokoll nachgewiesen wurde, wurde in Benedikts Namen erklärt, dass die falschen Angaben ein Versehen seiner Mitarbeiter gewesen seien.

„Ja, eine kleine Gruppe von qualifizierten Leuten hatte Benedikt geholfen, dann gab es diesen Fehler und leider ist der niemandem aufgefallen“, sagte Gänswein. „Es bleibt der Fakt, dass ein Fehler und eine Lüge zwei unterschiedliche Dinge sind.“

Benedikt hatte in einem am Dienstag veröffentlichten Brief bereits den Fehler bedauert und sich gegen den Vorwurf der Lüge gewehrt. Zugleich bat er die Opfer, die an seinen Einsatzorten sexuellen Missbrauch durch Geistliche erlebt hatten, um Entschuldigung.

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Auch nach der neuen Erklärung Benedikts reißt die Debatte um die Bewertung seiner Rolle nicht ab. Die Reaktionen auf die lange erwartete Stellungnahme reichten von Wut und enttäuschter Kritik bis hin zu „menschlich und geistlich tief bewegend“.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nannte die Entschuldigung Benedikts unzureichend. Er bleibe „relativ allgemein“, sagte die Präsidentin des ZdK den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Bei seinem Schuldbekenntnis gehe sein Blick nicht zu den Brüdern und Schwestern und den Betroffenen. „Die Empathie gegenüber den Betroffenen fehlt.“ Deshalb überzeuge die zweite Reaktion von Papst Benedikt „leider nicht“, sagte die Präsidentin der Laienvertretung.

Mehrere Kommunen in der bayerischen Heimat, in denen der emeritierte Papst die Ehrenbürgerschaft hat, ringen nun um den Umgang mit der Würdigungskultur. Man werde sich intensiv mit dem Gutachten und den Aussagen des früheren Erzbischofs von München und Freising auseinandersetzen, hieß es im Landkreis Traunstein und in Freising.

Betroffene finden „Entschuldigung“ schwer erträglich

Die neue Äußerung Benedikts ändere die ungewöhnlich schwer zu beurteilende Situation nicht, sagte eine Sprecherin der Stadt Freising, wo Ratzinger studiert und kurzzeitig gelehrt hatte. Man werde sich Zeit nehmen, um die komplexe Thematik zu erfassen, zu bewerten und diskutieren zu können. Im Landkreis Traunstein soll eine Kommission eingesetzt werden, um Vorwürfe und Verantwortlichkeiten einzuordnen, erklärte das Landratsamt - es residiert am Papst-Benedikt-XVI-Platz. In Traunstein, Tittmoning und Surberg ist Benedikt Ehrenbürger. Er lebte mit seiner Familie zeitweise in Tittmoning und Teile seiner Jugend in Traunstein.

Anders als die zuvor veröffentlichte knappe Stellungnahme zum Gutachten trage diese nun die Handschrift des emeritierten Papstes, sagte Pater Hans Zollner, Mitglied der Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen.

Der Brief spiegele Benedikts Umgang mit dem Thema Missbrauch wider. Denn er bedanke sich zunächst bei seinen Freunden - erst dann seien die Betroffenen an der Reihe. Er stelle seine Erklärung in einen großen theologischen Rahmen, ohne auf Details einzugehen.Die Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“ zeigte sich wütend: „Für Betroffene sind diese Art von „Entschuldigungen“ wirklich schwer erträglich“, hieß es in einer Mitteilung. „„Schmerz und Scham“ - Betroffene können es nicht mehr hören.“

In einer knappen Stellungnahme begrüßte der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx zwar, dass sein „Vor-Vorgänger“ sich äußere - stellte sich aber gleichzeitig hinter die von ihm beauftragten Gutachter und betonte, er nehme die Studie „sehr ernst“.

Der Kirchenrechtler Thomas Schüller nennt Benedikts Erklärung unzureichend. „Was fehlt aber? Dass er sagt: Ich entschuldige mich und ich übernehme Verantwortung für die schlimmen Fehler, die in Sachen Umgang mit sexuellem Missbrauch in meiner Zeit als Erzbischof von München-Freising gemacht wurden.“

Der Theologe, Psychiater und Bestsellerautor Manfred Lütz nannte hingegen die - aus seiner Sicht etwas spät abgegebene - Erklärung einen „Befreiungsschlag“. Benedikt übernehme ohne Wenn und Aber die sozusagen politische Verantwortung für das, was in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising dort an Schrecklichem geschah.

Für den theologischen Leiter des Benedikt-Geburtshauses in Marktl am Inn, Franz Haringer, ist die Äußerung „menschlich und geistlich tief bewegend“. Ratzinger habe „Gewissenserforschung betrieben“. „Dieselbe Haltung wünsche ich mir von manchen, die in den letzten Tagen harsche und vorschnelle Urteile über ihn gefällt haben.“ (dpa)

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