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Politik: Projekten gegen Rechtsextremismus droht das Aus

Förderung des Bundes läuft Ende 2006 aus – aus haushaltsrechtlichen Gründen / Koalition prüft Verlängerung

Von Matthias Meisner

Berlin - Bizarrer könnte die Lage für Karl-Georg Ohse kaum sein: Er ist Chef des mobilen Beratungsteams in Mecklenburg-Vorpommern – eines Projektes, das sich vor allem mit den wachsenden Gefahren des Rechtsextremismus in seinem Bundesland auseinandersetzt. Und gerade jetzt, wenn der Einzug der rechtsextremistischen NPD in den Schweriner Landtag droht, muss er die Abwicklung seiner Einrichtung mit ihren Regionalbüros in Greifswald, Neubrandenburg, Schwerin und Rostock vorbereiten. Grund: Nach fünf Jahren laufen die Bundeszuschüsse über das von Rot-Grün initiierte Programm Civitas aus, das Haushaltsrecht erlaubt dem Bund nur eine Anschubförderung. „Es ist bitter“, sagt Ohse. Zehn fest angestellte Mitarbeiter muss er in den nächsten Tagen zum Arbeitsamt schicken. „Die Rechten reiben sich wirklich die Hände.“ In den Vorhersagen zur Wahl am Sonntag werden der NPD sechs und mehr Prozent vorausgesagt.

Die Bundestags-Opposition schlug jetzt Alarm. Die Grünen-Abgeordnete Monika Lazar erklärt, ein Anschlussprogramm für die erfolgreichen Bundesprogramme – neben Civitas noch das Programm Entimon – sei nicht geplant. Zwar will die Bundesregierung weiter pro Jahr 19 Millionen Euro für Programme gegen Extremismus ausgeben. Nach den Worten Lazars erhalten dort aber nur Projekte eine Förderchance, wenn sie sich inhaltlich neu erfinden oder in ein kommunales Gesamtkonzept vor Ort integriert sind. „Viele Strukturprojekte stehen faktisch vor dem Aus“, erklärt die Politikerin: „Ein Netz erfahrener, kompetenter Fachleute zerfällt.“ Auch Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linkspartei) weist darauf hin, dass mobile Beratung, Opferberatung und Netzwerkstellen seit fünf Jahren in den neuen Ländern professionell funktionierten. Sie zweifelt daran, dass es allein haushaltstechnische Gründe sind, die Förderung der genannten Strukturprojekte auslaufen zu lassen. „Gerade bei der CDU“ seien die Projekte „nie beliebt“ gewesen. Richtig ist: Viele Initiativen gehen aus Sicht der Union „zu konfrontativ“ nur gegen die Rechtsextremisten vor, die Konservativen wünschen den Schwerpunkt lieber auf der Demokratiebildung .

Und was sagt die Regierung den Initiativen, die gerade jetzt etwa im Nordosten der Republik gegen gefestigte, ausgedehnte und professionalisierte rechtsextreme Strukturen ankämpfen? „Ein schwieriges Problem“, sagt ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums, und gibt zu, dass viele Projekte „vor dem Nichts“ stehen. Darüber hinaus bleibt der Hinweis auf die Rechtslage: „Der Bund hat nichts weiter als eine Anregungsfunktion.“ Doch keineswegs jedes Bundesland und auch nicht jede Stadt kann oder will nun für den Bund einspringen.

Die betroffenen Initiativen selbst sprechen von einem „Webfehler“ des Civitas-Programms. Zunächst aber wird im Hause von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) so geplant wie bisher mit den Koalitionsfraktionen verabredet: Im November soll die Ausschreibung für eine sogenannte Regiestelle erfolgen, die dann Projektanträge für ein neues Toleranz- und Demokratieprogramm des Bundes entgegennimmt. Im Frühjahr könnten sich neu gegründete Initiativen um Zuschüsse bewerben, bis zur Entscheidung werden wohl wiederum mehrere Wochen vergehen. Eine Zitterpartie für die engagierten Akteure.

Es sei denn – die Koalition zieht die Notbremse. Nach Tagesspiegel-Informationen wollen Fachpolitiker von Union und SPD noch diese Woche ausloten, ob das auf fünf Jahre angelegte Programm Civitas um ein Jahr verlängert werden kann. Die Anschubfinanzierung für die Projekte würde dann bis Ende 2007 laufen. Dass die zuständigen SPD-Experten in den vergangenen Tagen auffällig ruhig blieben, hat wohl damit zu tun, dass sie die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben haben.

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