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Politik: Protest gegen Castor in Gorleben wird lauter

Die Strahlung erreicht einen Grenzwert – trotzdem will das Umweltministerium weitere Transporte

Mit der Attrappe eines Castorbehälters auf einem Lkw hat Greenpeace am Freitag am Atommüllzwischenlager Gorleben protestiert. Auf einem Transparent forderten die Umweltschützer, dass „kein weiterer Castor nach Gorleben“ rollen dürfe. Am Zaun der Lagerhalle waren zuvor deutlich erhöhte Radioaktivitätswerte gemessen worden. Ohne eine Verbesserung des Strahlenschutzes darf das Zwischenlager keine weiteren Behälter mehr aufnehmen, stellte das niedersächsische Umweltministerium klar.

Das Ministerium bestätigte, dass an einer von mehreren Messstellen der zulässige Grenzwert für Neutronenstrahlung fast erreicht wurde. „Vor der Annahme weiterer Behälter muss der Betreiber Maßnahmen zur Senkung der Strahlenbelastung ergreifen“, sagte eine Sprecherin.

An dem fraglichen Messpunkt hatte der vom Ministerium beauftragte Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) einen Halbjahreswert für Neutronenstrahlung ermittelt, der hochgerechnet eine Überschreitung des Jahresgrenzwerts erwarten lässt. „Eine Einlagerung weiterer Behälter wäre dann nicht zulässig“, heißt es in einem dem Tagesspiegel vorliegenden Vermerk der Behörde. Dieser Jahresgrenzwert liegt bei 0,3 Millisievert. Schon ab einem Schwellenwert von 0,27 Millisievert müssen Maßnahmen zum Strahlenschutz eingeleitet werden.

Einen triftigen Grund für die gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegene Strahlung konnte das Ministerium gestern noch nicht nennen. Eine mögliche Erklärung sei aber, dass der Messpunkt um vier Meter versetzt worden sei und dadurch etwas näher an der Halle mit den Castor-Behältern liege. Die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg sieht eine Ursache für die erhöhte Strahlung in der Einlagerung von Behältern mit extrem hohem Abbrand im vergangenen Jahr. „Der Castor-Transport 2010 war nicht nur derjenige, der bisher den größten Widerstand herausgefordert hatte, er war auch der heißeste“, sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Im Übrigen sei bereits im Jahr 2008 die erlaubte Strahlenbelastung im Brennelement-Zwischenlager zu zwei Dritteln „ausgeschöpft“ worden.

Wie die BI verlangen auch Umweltorganisationen und Oppositionsparteien nun einen Verzicht zumindest auf den für dieses Jahr geplanten Atommülltransport. Der Umweltexperte der niedersächsischen Linksfraktion, Kurt Herzog, verwies darauf, dass die Grenzwerte bereits mit den derzeit in Gorleben stehenden 102 Castoren erreicht worden seien. Die Halle sei aber für bis zu 420 Behälter genehmigt worden.

„Das Abstellen von Castoren in unsichere Lager wiegt die Öffentlichkeit im trügerischen Glauben, dass es Lösungen für die Entsorgung des Strahlenabfalls gibt“, sagte der Vorsitzende vom Bund für Umwelt und Naturschutz Hubert Weiger. Die radioaktiven Belastungen zeigten, dass der begonnene Atomausstieg deutlich beschleunigt werden müsse, um die Produktion strahlender Abfälle umgehend zu stoppen.

Das Umweltministerium in Niedersachsen hält Castortransporte jedoch weiterhin für möglich. Die Gesellschaft für Nuklear-Service, die das Zwischenlager betreibt, könne die Behälter in der Halle womöglich anders verteilen, schlägt Staatssekretär Stefan Birkner (FDP) vor. Auch Bleiummantelungen könnten für eine zusätzliche Abschirmung sorgen.

Der niedersächsische Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel warnte Landesregierung und Atomindustrie, weitere Einlagerungen durch „Tricks und Manipulationen“ zu ermöglichen. Die Umstellung der Behälter an die Hallenrückwand oder gar die Abschirmung mit Leerbehältern seien „abenteuerliche Überlegungen“.

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