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Der Ministerpräsident von Sachsen, Stanislaw Tillich, besuchte am Donnerstag die Asylbewerberunterkunft in Freital.

© dpa

Proteste gegen Flüchtlingsheim: Tillich in Freital: Was passiert ist, kann man nicht reparieren

Nach tagelangen Protesten besucht Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich die Asylbewerber-Unterkunft in Freital. Er leistet Abbitte für Kommunikationspannen – will aber ansonsten bei seinem Kurs bleiben. Die Demonstrantenmenge bleibt diesmal sehr übersichtlich.

Die Stimmlage ist nicht einmal höhnisch, eher sachlich. „Der Islam gehört nicht zu Sachsen“, ruft ein junger Mann aus der Gruppe der Flüchtlings-Unterstützer, der vor dem Eingang des ehemaligen Leonardo-Hotels steht. Die ohnehin schon ernste Miene von Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), der schon wieder auf dem Weg zu seiner Limousine ist, verfinstert sich noch ein bisschen weiter. Der Satz ist ein Zitat – sein Zitat. Im Januar hatte Tillich damit bewusst Kanzlerin Angela Merkel widersprochen, die auch vor dem Eindruck der anschwellenden Demonstrationen der islamfeindlichen Pegida-Bewegung in Dresden gesagt hatte, der Islam gehöre zu Deutschland.

"Der Islam gehört nicht zu Deutschland"

Dass ihn dieses Zitat an diesem Donnerstagnachmittag wieder einholt, ist in gewisser Weise folgerichtig. Nachdem es seit Anfang der Woche Proteste und teilweise gewalttätige Auseinandersetzungen vor der Asylbewerberunterkunft gegeben hatte, hatte sich Tillich nach Informationen aus Regierungskreisen „relativ spontan“ entschieden, sich selbst vor Ort ein Bild von der Situation zu machen. Und ganz offenkundig war der Ministerpräsident auch gekommen, um ein wenig Abbitte zu leisten.

Es sei „in den letzten Tagen in der Kommunikation nicht immer gut gelaufen“, räumte Tillich nach einem Gespräch mit Vertretern der Stadt, des Heimbetreibers und dem Landrat des Kreises Sächsische Schweiz/Osterzgebrige ein. Gemeint ist wohl die „Nacht- und Nebelaktion“, wie es die Heimgegner nennen. Seit dieser Woche ist das ehemalige Hotel, in dem seit Februar etwa 100 Flüchtlinge lebten, eine Außenstelle der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber. Jetzt sind knapp 400 Menschen in dem langgestreckten, vierstöckigen Gebäude, das mitten in einem Wohngebiet steht, untergebracht.

„Was passiert ist, kann man nicht reparieren. Man kann daraus nur die Schlussfolgerungen ziehen“, sagte Tillich – und ließ offen, ob er damit die zeitweise bedrohliche Atmosphäre vor dem Heim oder nur die mangelnde Kommunikation meinte. Über die hatte sich selbst die Polizei, die seit Mittwoch das Heim rund um die Uhr bewacht, beschwert. Polizeisprecher Thomas Geithner hatte dem MDR bestätigt, dass seine Behörde zu Wochenbeginn Probleme hatte, die Lage in den Griff zu bekommen. Die Polizei wie auch andere Verantwortliche seien „einfach zu spät informiert worden“, monierte Geithner.

Der Ministerpräsident von Sachsen, Stanislaw Tillich (CDU), im Gespräch mit Flüchtlingen in der Asylbewerberunterkunft von Freital.
Der Ministerpräsident von Sachsen, Stanislaw Tillich (CDU), im Gespräch mit Flüchtlingen in der Asylbewerberunterkunft von Freital.

© dpa

Seine ganz persönlichen Informationen versuchte sich der Ministerpräsident auch im Gespräch mit drei syrischen Flüchtlingen zu holen, die erst seit kurzem in dem Heim leben. „Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, wenn ausgerechnet gegen die Menschen Stimmung gemacht wird, die hier Schutz suchen und nicht selten alles verloren haben“, erklärte der CDU-Politiker anschließend. Fast im gleichen Atemzug verwies Tillich indes auch auf den „enormen Zustrom“ an Flüchtlingen, der auch andernorts in Deutschland und Europa eine große Herausforderung sei. Täglich seien 140 neue Asylbewerber in Sachsen unterzubringen – und die Zahl werde wohl noch weiter ansteigen. Daher sei es  auch wichtig, dass der Aufenthalt derjenigen, denen die notwendigen Voraussetzungen für eine dauerhafte Aufnahme fehlten, möglichst „konsequent und zeitnah“ wieder beendet werde.

Als dieses offizielle Statement im Hof der Unterkunft beendet ist und Tillich sich verabschieden will, steht ein Vater mit drei kleinen Kindern dem Pulk aus Ministerpräsident, Bodyguards, Regierungssprecher und Medienvertretern im Weg. Tillich steuert auf den Mann zu, doch ein wirkliches Gespräch kommt nicht zustande – anders als bei dem vorbereiteten Treffen mit den Syrern steht kein Dolmetscher zur Verfügung, der Mann versteht nicht.

Als Tillich vor das Hotel tritt, ist die Demonstrantenmenge im Vergleich zu den vorherigen Tagen noch immer ungewöhnlich übersichtlich. Etwa 30 Unterstützer stehen rund 50 Asylgegnern gegenüber, wie immer getrennt von der Polizei. Bis auf den spöttischen Zwischenruf kommt es aber zu keinem Kontakt zwischen dem Ministerpräsidenten und den Menschen vor dem Heim. Dabei hatte das rechte  Anti-Asylheim-Bündnis „Freital wehrt sich“ seit dem Nachmittag versucht, seine Anhänger per Facebook auch damit zu mobilisieren, dem Ministerpräsidenten die Meinung geigen zu können. Entsprechend enttäuscht waren die Demonstranten. „Ich hätte mich gefreut, wenn er den Arsch in der Hose gehabt hätte und auch mal zu uns gekommen wäre“, sagt einer von ihnen, der nach eigenem Bekunden seit Tagen gegen das Asylbewerberheim demonstriert.

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