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Prozess um Bundeswehrskandal: Bewährungsstrafen für Rekrutenmisshandlungen

Im Prozess um Rekrutenmisshandlungen in einer Coesfelder Kaserne sind die letzten Urteile verkündet worden. Nach Ansicht des Gerichts hatten die Angeklagten mehr als 160 Rekruten misshandelt und entwürdigend behandelt.

Im bisher größten Strafprozess gegen Bundeswehr- Soldaten hat das Landgericht Münster gegen fünf frühere Ausbilder Bewährungsstrafen von bis zu 22 Monaten wegen Rekrutenmisshandlung verhängt. Den früheren Kompaniechef verurteilte die 8. Große Strafkammer am Mittwoch zu einer Geldstrafe von 7500 Euro, weil er die Vorfälle geduldet hatte. Vier der insgesamt zehn verbliebenen Angeklagten wurden freigesprochen.

Die Männer waren angeklagt, im Jahr 2004 als Ausbilder in der Coesfelder Freiherr-vom-Stein-Kaserne insgesamt mehr als 160 Rekruten bei fingierten Geiselnahmen und anschließenden Verhören unnötig Schmerzen zugefügt und sie unwürdig behandelt zu haben. Der Staatsanwalt sprach in seinem Plädoyer von "menschenverachtenden" Praktiken. Das Gericht sah den Tatbestand der Misshandlung sowie in einigen Fällen der entwürdigenden Behandlung und der gefährlichen Körperverletzung als erwiesen an.

Richter: Geiselnahme war "verhängnisvolle Idee"

Zwei Zugführer als Drahtzieher der umstrittenen Geiselnahmen erhielten Bewährungsstrafen von einem Jahr und zehn Monaten Haft. "Irgendwann kamen die beiden Hauptfeldwebel auf die verhängnisvolle Idee, eine Geiselnahmeübung durchzuführen", sagte der Vorsitzende Richter Thomas Mattonet. Den beiden bis dato als vorbildlich geltenden Soldaten sei zwar nicht nachzuweisen, selbst an Misshandlungen beteiligt gewesen zu sein. Sie hätten diese aber nachweislich mit angesehen und seien nicht eingeschritten, sagte Mattonet.

Ein früherer Oberfeldwebel, der einem der Rekruten Stromstöße mit einem Feldfernsprecher zugefügt hatte, erhielt ein Jahr und vier Monate auf Bewährung. Ein weiterer Feldwebel kam mit zehn Monaten auf Bewährung davon.

Berufliche Konsequenzen auch für freigesprochene Soldaten

Vier frühere Ausbilder im Alter zwischen 28 und 33 Jahren wurden freigesprochen. Die Verurteilten müssen neben den Strafen auch die Prozesskosten tragen, die wegen der langen Dauer von fast einem Jahr und der großen Zahl von mehr als 200 Zeugen mit rund 50.000 Euro pro Verurteilten zu Buche schlagen. Selbst jetzt freigesprochene Soldaten hätten bereits berufliche Konsequenzen gespürt und seien von ihren Arbeitgebern nicht übernommen worden, hatten deren Anwälte in ihren Plädoyers geltend gemacht.

Freiheitsstrafen von einem Jahr und mehr schließen eine Einstellung oder Weiterbeschäftigung im Staatsdienst im Regelfall aus. Die disziplinarrechtliche Aufarbeitung der Vorfälle innerhalb der Bundeswehr steht jedoch noch aus.

Wehrbeauftragter Robbe: Verstoß gegen "elementare Rechte"

In vorangegangenen Urteilen waren bereits zwei weitere Ex- Ausbilder freigesprochen worden, zwei erhielten Geldstrafen, einer 18 Monate Haft auf Bewährung. Zwei Verfahren wurden eingestellt, eines wegen Krankheit abgetrennt.

Aus Sicht des Wehrbeauftragten des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), macht das Urteil deutlich, "dass es sich hier nicht um irgendwelche Abenteuergeschichten handelt, die damals in Coesfeld passiert sind, sondern dass gegen elementare Rechte der Soldatinnen und Soldaten verstoßen wurde". Dem Radiosender Antenne Mecklenburg- Vorpommern sagte er weiter, ihm gebe nach wie vor zu denken, dass sich niemand an den Wehrbeauftragten gewandt habe und das Ganze durch Zufall ans Tageslicht gekommen sei.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte in Berlin, das Ministerium wolle vor einer möglichen Stellungnahme zunächst die Urteilsbegründung auswerten. (ut/dpa)

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