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Politik: Putin in Deutschland: Keine Angst vor Putin - Berlin sollte den russischen Besucher freundlich empfangen (Gastkommentar)

Gelegentlich kann der Eindruck entstehen, die rot-grüne Bundesregierung verhalte sich gegenüber Russland zurückhaltend - aus Sorge, alte, wirkliche oder vermeintliche Sünden aus ihrem Verhältnis zur Nato vorgehalten zu bekommen. Das darf nicht die deutsche Außenpolitik bestimmen, es besteht auch kein Anlass dafür.

Gelegentlich kann der Eindruck entstehen, die rot-grüne Bundesregierung verhalte sich gegenüber Russland zurückhaltend - aus Sorge, alte, wirkliche oder vermeintliche Sünden aus ihrem Verhältnis zur Nato vorgehalten zu bekommen. Das darf nicht die deutsche Außenpolitik bestimmen, es besteht auch kein Anlass dafür.

Beim Besuch des russischen Präsidenten sollte der Wille zu einer immer engeren Zusammenarbeit demonstriert werden, mit der neuen russischen Führung: Sie ist demokratisch gewählt und entschlossen, sich definitiv nach Europa zu wenden. Der russische Präsident macht aus seiner Vorliebe für Deutschland keinen Hehl. Das ist keineswegs als emotional abzutun, sondern auch eine zutreffende Einschätzung der wichtigen Rolle Deutschlands in den westlichen Gemeinschaften. In der Zeit des Kalten Krieges hat sich Deutschland stets um eine enge Zusammenarbeit mit der Sowjetunion bemüht, weil darin richtigerweise der einzige Weg gesehen wurde, die Teilung Europas und Deutschlands zu überwinden. Die Festigkeit der alten Bundesrepublik hat das nicht beeinträchtigt, das hat der Nato-Doppelbeschluss bewiesen.

Heute stehen wir einem Russland gegenüber, das sich zu den Grundlagen der Demokratie bekennt und das sich als Teil Europas fühlt. Hoffnungsvoller können die Aspekte am Beginn des neuen Jahrhunderts nicht sein. Bei der Beurteilung des russischen Präsidenten wird oft vernachlässigt, dass er das Vertrauen Alexander Sobtschaks genoss, des großen Reformers in Sankt Petersburg, der bis in seine letzten Lebenstage hinein im Wahlkampf für Wladimir Putin stritt.

Nach einer Zeit der außenpolitischen Stagnation hat sich Russland nach Putins Wahl außenpolitisch zurückgemeldet, mit der Ratifikation des Abrüstungsvertrags START II und des Atomteststopp-Abkommens. Nur wenn die Atommächte ihre Verpflichtungen aus dem Atomwaffen-Sperrvertrag erfüllen, kann der Ausbreitung nuklearer Waffen wirksam begegnet werden. Der Aufbau eines Raketenabwehrsystems erscheint wie ein Ausdruck von Resignation. Er beschwört zudem die Gefahr eines neuen Rüstungswettlaufs herauf. Es wird interessant sein, welche Vorstellungen Putin bei seinem Besuch in Berlin präsentiert.

Putins Forderung nach stabilen Rahmenbedingungen für marktwirtschaftliche Reformen in Russland und der Ankündigung des entschlossenen Kampfes gegen die Korruption müssen nun Taten folgen. Das liegt im russischen wie im westlichen Interesse. Der deutliche wirtschaftspolitische Akzent des Besuches beweist das. Vorrangig ist der Ausbau der Beziehungen zwischen der EU und Russland. Die EU bietet Russland Stabilität an seiner Westflanke. Gleichberechtigte Kooperation der EU mit Russland nützt auch den Staaten, die früher zum sowjetischen Machtbereich gehörten. Pläne der Europäischen Union für eine gesamteuropäische Freihandelszone und die Notwendigkeit, eine gesamteuropäische Infrastruktur im Bereich der Telekommunikation und des Verkehrs und der Aufbau eines gesamteuropäischen Energieverbunds können große, gemeinsame und verbindende Ziele der Europäischen Union und Russlands sein.

In der Vergangenheit ist mit der KSZE die immer stärkere Einbindung der Sowjetunion in gemeinsame Strukturen und die Festlegung auf gemeinsame politische Inhalte gelungen. Heute geht es um die Einbeziehung dieses großen Landes in die globalen Strukturen, aber auch in die Baupläne für eine gesamteuropäische Friedensordnung, so, wie sie der Harmel-Bericht der Nato schon in den 60er Jahren forderte, und wie sie im Rahmen der OSZE verwirklicht werden kann. Dauerhafte Stabilität in Europa verlangt umfassende Zusammenarbeit mit Russland. Hier kann Berlin ein wichtiges Signal setzen.

Immer engere und herzlichere Beziehungen Deutschlands zu Russland sind ein Gewinn für die EU und für die Nato. In der entstehenden multipolaren Weltordnung wird Russland auch in Zukunft zu den großen Kraftzentren gehören. Dem hat Präsident Clinton in seiner Rede vor der Duma Rechnung getragen. Es gibt keinen Anlass für europäisches Zögern. Man möchte deshalb den Akteuren in Berlin zurufen: Nur Mut, Europäer! Nur Mut, Deutsche!

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