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Politik: Putschisten im Wartestand

Steht der Sturz Edmund Stoibers bevor? Noch blockieren sich die potenziellen Nachfolger gegenseitig

Von Robert Birnbaum

Günther Beckstein ist meist ein Mann der klaren Meinung, aber im Moment, sagt Bayerns Innenminister am Freitag, habe auch er bloß „viele Fragen und wenig Antworten“. Das dürfte er mit dem weit überwiegenden Teil der CSU gemeinsam haben. Die Krise um Edmund Stoiber ist in eine Phase der Ratlosigkeit getreten. Ein Stadium, aus dem nach Einschätzung im Stoiber- wie im Anti-Stoiber-Lager nur zwei Auswege führen: ein Putsch – oder kein Putsch.

Das klingt vielleicht albern, entspricht aber der verzwickten Lage. Geschaffen hat die Stoiber selbst, zuletzt, als er den Eindruck erweckte, er wolle gar nicht mehr aufhören zu regieren, jedenfalls nicht vor 2013. Zwar versichern Stoiberianer, das sei ein Missverständnis aufgrund einer unglücklichen Formulierung. Das mag stimmen, zeigt aber nach Auffassung der Kritiker nur erneut, dass der Chef zum Sicherheitsrisiko geworden ist, der weder die Lage noch die eigene Zunge unter Kontrolle hat. Eine Theorie, zu der es in nächster Zeit weitere Illustrationen geben wird. Seit Tagen schon schauderte manchem bei dem Gedanken, wie der Landesvater am Freitagabend beim Neujahrsempfang der Landrätin Gabriele Pauli die Hand drücken würde. Er schließlich wünschte ihr „ein gutes und interessantes neues Jahr“, sie ihm „alles Gute und viel Kraft, was da kommt, egal wie’s auch kommt“.

Voraussetzungen für den Sturz des Monarchen liegen vor – fehlte es nicht an einem wesentlichen Element: dem Thronfolger. Es gebe langsam genug Argumente gegen Stoiber, sagt ein Christsozialer – aber kein restlos überzeugendes für einen Nachfolger. Klar ist immer nur, was gegen die Anwärter spricht: zu alt, zu wenig führungserfahren, zu wenig beliebt, zu unberechenbar – von Beckstein über Fraktionschef Joachim Herrmann und Wirtschaftsminister Erwin Huber zu Bundesminister Horst Seehofer löst keiner ungeteilten Jubel aus. Weil das jeder der vier vom anderen weiß, ist bislang keiner bereit, zugunsten eines anderen zu verzichten – aber auch keiner imstande, im Alleingang vollendete Tatsachen zu schaffen. Deshalb fehlt es dem Putsch einstweilen auch an einer zweiten unverzichtbaren Zutat: den Putschisten.

Trotzdem gibt es Überlegungen, wie Stoiber ein Ende bereitet werden könnte. Dazu müssten sich die vier mit einem Fünften, dem Landtagspräsidenten Alois Glück, zusammensetzen und sich auf eine Postenverteilung einigen. Dann nämlich könnte Glück, als Gewissen der Partei hoch geachtet (und von ganz Verzweifelten trotz seiner 66 Jahre selbst als Übergangsparteichef gehandelt), Stoiber vor die Wahl stellen: Entweder er gibt das Personaltableau der Verschwörer als seine eigene Wunschlösung aus und wahrt so im Abgang sein Gesicht – oder er wird aufs Altenteil gezwungen.

Das Szenario leidet noch ein bisschen darunter, dass unklar ist, wie Zwangsmaßnahmen aussehen und wie sie mit dem Wunsch der CSU nach Stabilität vereinbart werden könnten. Zugleich drängt die Putschisten die Zeit, wollen sie nicht riskieren, neben der „lame duck“ Stoiber bald als „lame chicken“ über den aufgescheuchten Hühnerhof der CSU zu tapsen. Stoibers Strategie bei alledem ist infolgedessen denkbar einfach: Zeit gewinnen. In die Basis wolle er hineinhorchen und dann entscheiden, ob er bleibe oder selbst den Weg frei mache, heißt es in München. Die Bezirksparteitage, die derart als Regionalkonferenz mit Applausometer genutzt werden könnten, finden nämlich erst im Frühjahr statt.

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