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Politik: Raffarin hat die Wahl für Chirac gewonnen

Der konservative Übergangspremier aus der Provinz hat dem Präsidenten zur Mehrheit im Parlament verholfen

Von Sabine Heimgärtner, Paris

Die Stimmung bei der neu gegründeten konservativen Partei „Union für die Präsidentenmehrheit“ (UMP) ist euphorisch. Als ihr Zugpferd, der rechtsliberale Regierungschef Jean-Pierre Raffarin, vor die Kameras tritt, toben die Anhänger in der Pariser Parteizentrale. Mit der Hilfe des bescheidenen, bodenständigen Provinzpolitiker hat es der vor einem Monat wiedergewählte Staatspräsident Jacques Chirac geschafft. Nach der ersten Runde der Parlamentswahlen sieht es mit rund 43,8 Prozent der Stimmen nach einer absoluten Mehrheit der Rechten aus.

Die Linke wäre in die Opposition verwiesen, die ungeliebte Kohabitation eines konservativen Präsidenten und eines linken Regierungschefs, beendet. Chiracs Wahlbündnis könnte nach ersten Hochrechnungen den Sprung von 140 Mandaten auf 380 bis 420 Sitze schaffen. Im Turbotempo haben sich die Machtverhältnisse in Frankreich um 180 Grad gedreht. Das linke Parteienspektrum, die Sozialisten, die Grünen und die Radikallinken liegen weit abgeschlagen zurück. Sie können nur noch mit 135 bis 175 Sitzen im Parlament rechnen.

Jean-Pierre Raffarin versprach in einer kurzen, emotionalen Ansprache: „Wir haben das Herz, die Anliegen der Franzosen in dieser Regierung durchzusetzen.“ Die Autorität des Staates werde wieder hergestellt, in Anspielung auf das Hauptthema des Marathonwahlkampfes, die innere Sicherheit. Als weiteres wesentliches Anliegen nannte er den „sozialen Dialog“, Themen wie die Renten- und Steuerreform, die unter Jospin zwar diskutiert, aber nicht angepackt wurden. Der frühere sozialistische Wirtschaftsminister Laurent Fabius konterte wenige Minuten später und warnte die künftige Regierung davor, zu „überziehen“. Im Klartext: Sollte das Ruder zu weit nach rechts auslaufen, sei mit sozialen Protesten, Streiks und Massendemonstrationen zu rechnen. Frankreich geht nicht unbedingt ruhigen Zeiten entgegen. Die nach dem Jospin-Rücktritt und seiner Wahlniederlage bei den Präsidentschaftswahlen regelrecht verwundeten Sozialisten kündigen schon seit Wochen Rache an.

Noch sind nicht alle Lieder gesungen. Am kommenden Sonntag werden die 41 Millionen Wahlberechtigten Frankreichs in diesem Jahr das letzte Mal an die Urnen gerufen. Dann, am 16. Juni, um bei einer Stichwahl in den 577 Wahlkreisen zwischen meist zwei, in einigen Wahlkreisen drei, Kandidaten zu entscheiden. Große Überraschungen sind allerdings nicht mehr zu erwarten.

Aufgrund der Rekordzahl von 8446 Kandidaten und einer starken Zersplitterung der bürgerlichen Parteien hatten die Strategen einen erneuten Wahlsieg der rechtsextremen Front National (FN) von Jean-Marie LePen befürchtet und damit ein Kopf-an-Kopf- Rennen zwischen Rechtsextrem und Bürgerlich im zweiten Wahlgang. Le Pen, der bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl mit knapp 17 Prozent einen Überraschungssieg erzielt und den sozialistischen Kandidaten Lionel Jospin aus dem Feld geschlagen hatte, konnte seinen Triumph dieses Mal nicht wiederholen. Nach ersten Hochrechnungen lag seine Partei bei rund zwölf Prozent und kann maximal mit zwei Mandaten in der Nationalversammlung rechnen. Zu Duellen zwischen Kandidaten der ausländer- und europafeindlichen Front National und den Repräsentanten bürgerlicher Parteien wird es voraussichtlich nur in 35 Wahlkreisen kommen – Aufatmen also in allen Lagern. Le Pen selbst versuchte seine Enttäuschung herunterzuspielen: „Leicht enttäuschend, ja, aber noch haben wir ja keine endgültigen Ergebnisse.“

Enttäuscht sind jedoch alle Seiten über die Wahlbeteiligung: Mit einer Rekordenthaltung haben die Franzosen bei diesem ersten Wahlgang zu den Parlamentswahlen ihr Desinteresse an der Politik noch deutlicher demonstriert als bei der ersten Rund der Präsidentschaftswahlen. Nur 64 Prozent der Wahlberechtigten gingen zur Wahl.

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