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Politik: Raketen zur Weihnachtsgans

Während des Fests der Christen erschüttert eine Anschlagserie den Irak – 18 Menschen sterben

Die Weihnachtsgans war gerade aufgetragen, Rotkohl und Kartoffelklöße wurden verteilt, als ein lauter, dumpfer Knall die Fenster in der Residenz der deutschen Hilfsorganisation „Architekten für Menschen in Not“ klirren ließ. Das Sheraton-Hotel im Stadtzentrum, etwa drei Kilometer entfernt, war am 24. Dezember angegriffen worden, offenbar mit Raketen oder Mörsergranaten, die das Dach des am Tigris gelegenen Hochhauses getroffen haben.

Es gibt sicher geeignetere Orte, um das Fest der Christenheit zu feiern: 20 Menschen starben während der Weihnachtstage bei Anschlägen im Irak. In Mossul erschossen Unbekannte am Freitag ein Mitglied der von den USA eingesetzten Verwaltung. Neben Scheich Talal el Chalidi sei auch dessen Sohn erschossen worden, teilte die irakische Polizei mit. Zuvor war am Heiligabend vor dem kurdischen Innenministerium in Erbil eine Autobombe explodiert und hatte mindestens drei Menschen in den Tod gerissen. In Samarra starben drei US-Soldaten durch eine Bombe, die am Straßenrand explodierte.

Am Morgen des 25. Dezember erschütterte eine Serie von Explosionen die irakische Hauptstadt. In einer offenbar koordinierten Aktion wurden an mehreren Stellen gleichzeitig Raketen und Mörsergranaten auf verschiedene Gebäude gefeuert, in denen entweder ausländische Journalisten, Geheimdienstmitarbeiter oder US-Militär untergebracht sind. Im Wechsel waren überall in Bagdad Explosionen, gefolgt vom Heulen der Sirenen und dem Dröhnen tief fliegender Hubschrauber zu hören. Später wurde das Sheraton-Hotel erneut beschossen und offenbar im 8. Stockwerk getroffen. Außerdem soll eine Katjuscha-Rakete in der Nähe der Deutschen Botschaft eingeschlagen sein. Das Botschaftsgebäude ist derzeit allerdings gar nicht in Betrieb. Wegen der unsicheren Lage an einer belebten Kreuzung wurde der Betrieb in ein Wohnviertel verlegt.

Überraschend kam die Angriffsserie nicht, das US-Militär hatte mehrmals vor einer Angriffswelle zu Weihnachten gewarnt. In der Nacht vor Heiligabend hatten die Amerikaner zwei Stunden lang ausgewählte Ziele im Südwesten Bagdads bombardiert, angeblich weil sie Hinweise auf Verstecke von Widerstandskämpfern hatten. Die Angriffskraft des irakischen Widerstands aber wurde dadurch offenbar nicht großartig geschwächt.

Eine gute Nachricht immerhin gab es inmitten des Terrors für die Amerikaner im Irak: Verstärkung ist unterwegs. In Japan machte sich ein 40 Mann starkes japanisches Vorauskommando der Luftwaffe auf den Weg in den Irak. Im Januar wird die Ankunft von mehr als 150 weiteren Soldaten sowie Transportflugzeugen erwartet. Kampftruppen will Japan allerdings nicht in den Irak schicken.

Unklar ist indes noch, welche Bedeutung für die politische Zukunft des Irak die Ankündigung von etwa 130 sunnitischen Persönlichkeiten hat, sich in einem gemeinsamen Beratungsgremium zu organisieren. Damit solle, so ein Sprecher, der „Marginalisierung“ der Sunniten nach dem Sturz von Saddam Hussein entgegengewirkt werden. Die Sunniten beherrschten unter Saddam den Irak, obwohl die Schiiten die größte Bevölkerungsgruppe im Land sind. Nun fürchten sie, von den Schiiten unterdrückt zu werden. Hinter den Anschlägen werden ebenfalls in erster Linie sunnitische Kämpfer vermutet.

Susanne Fischer[Bagdad]

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