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Rauchverbot: Wird Deutschland ein Flickenteppich?

Ein umfassender Nichtraucherschutz sei nur mit den Ländern machbar, heißt es jetzt aus der Regierung. Das muss nicht das Ende des Rauchverbots bedeuten, doch eine einheitliche Regelung ist vorerst in weite Ferne gerückt.

Berlin - Die Kehrtwende kam prompt: Noch am Mittwoch zeigte sich das Gesundheitsministerium überzeugt, ein bundeseinheitliches Rauchverbot durchsetzen zu können. "Wir sind argumentativ gut aufgestellt", erwiderte die Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk (SPD) auf den Einwand, die Pläne der Koalition seien mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Schon tags darauf wurde das Gesundheitsressort gerade wegen der Verfassungsbedenken zurückgepfiffen.

Ganz offenbar tut sich Deutschland schwer mit dem Nichtraucherschutz: Jahrelang hat sich die Bundesregierung gegen die EU-Richtlinie zum Tabakwerbeverbot gestemmt und erst im Sommer 2006 eingelenkt, nachdem Brüssel eine Klage gegen die Bundesrepublik angekündigt hatte. Die Zurückhaltung bei allem, was mit Nichtraucherschutz zu tun hat, hat immer wieder Vorwürfe hervorgerufen, Berlin gehe vor der Industrie in die Knie. "Was wir hier erleben, ist eine Bankrotterklärung gegenüber der Tabaklobby", wetterte denn auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, als die Regierung jetzt das bundesweite Vorhaben zum Rauchverbot zurückzog. "Die Tabakindustrie lässt bei diesem Durcheinander die Sektkorken knallen", mutmaßte die Grünen-Verbraucherschutzexpertin Bärbel Höhn.

Schließlich ist der Verzicht auf eine bundesweite Regelung nach Ansicht mancher Rechtsexperten keineswegs zwingend. Ein von Caspers-Merk vorgelegtes Gutachten kam zu dem Schluss, dass gesetzliche Rauchverbote durchaus Maßnahmen sind, die dem Bund zustehen. Verwiesen wurde dabei auf den Grundgesetzartikel 74, der es ihm grundsätzlich erlaubt, bei "gemeingefährlichen Krankheiten" einzuschreiten - wozu dem Gutachten zufolge auch der durch Rauchen verursachte Krebs gehört. Doch in der Regierung setzte sich schließlich die Auffassung durch, dass der Bund nur für seine eigenen Einrichtungen zuständig ist - das wichtige Feld der Gastronomie aber in die Kompetenz der Länder falle. Schließlich haben diese im Zuge der Föderalismusreform auch das Gaststättenrecht zugeschlagen bekommen.

Länder sind am Zug

Jetzt liegt der Ball bei den Landesfürsten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will diese bei einem Treffen am kommenden Mittwoch darauf drängen, weitgehende Rauchverbote auf den Weg zu bringen. Die Regierung strebt eine gemeinsame Lösung mit den Ländern an. "Der Nichtraucherschutz kann nicht vor Ländergrenzen halt machen", sagte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) dem Bonner "General-Anzeiger". Schmidt räumte ein, dass ein Rauchverbot in Gaststätten Ländersache sei. Sie habe aber überhaupt kein Verständnis dafür, dass es noch Bundesländer gebe, die zum Beispiel für Schulen und Krankenhäuser kein absolutes Rauchverbot erlassen hätten. "Bund, Länder und Kommunen müssen das jetzt gemeinsam regeln", fügte Schmidt hinzu.

Mancherorts wird Schmidt offene Türen einrennen, wie etwa im Land Berlin: "In Gaststätten und Restaurants ist ein wirksamer Nichtraucherschutz für Gäste und Beschäftigte erforderlich", kündigte die Berliner Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) an. Und Sachsens Gesundheitsministerin will sogar über Bestimmungen für Bars und Kneipen reden - sie waren in den jetzt gekippten Verbotsplänen des Bundes noch ausgespart worden. Verbote für öffentliche Gebäuden gibt es in beiden Ländern bereits.

Lompscher wünscht sich zwar bundeseinheitliche Regelungen, doch andere Länder wollen ganz andere Wege einschlagen: Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern etwa setzen weiterhin auf die Selbstverpflichtung der Gaststätten, derzufolge bis März 2008 insgesamt 90 Prozent der Speiserestaurants mindestens die Hälfe ihrer Plätze für Nichtraucher reservieren sollen. Selbst wenn die Selbstverpflichtung komplett umgesetzt würde, dürfte das Ergebnis anders aussehen, als die ursprünglichen Pläne des Bundes.

Wie resolut wird der Bund?

So könnte genau das eintreten, was die bundeseinheitliche Regelung eigentlich verhindern sollte: Dass Deutschland zu einem Flickenteppich in Sachen Rauchverbot wird. Gesundheits-Staatssekretärin Caspers-Merk aber hat die Hoffnung auf eine bundeseinheitliche Regelung noch nicht aufgegeben: "Wenn eine Mehrheit der Deutschen Nichtraucherschutz will, dann müssen jetzt auch Wege gezeigt werden, wie es gehen kann."

Die Linkspartei kündigte an, über eine Initiative im Bundestag doch noch ein bundeseinheitliches Rauchverbot durchzusetzen. Anders als von der Bundesregierung behauptet, könne der Bund in diesem Bereich doch Gesetze erlassen, sagte die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Martina Bunge (Linke) dem Berliner Tagesspiegel. Der Bund sei eindeutig für den Schutz vor Schadstoffen zuständig. Es gebe zum Beispiel Bundesregelungen zum Umgang mit Asbest. (Von Jürgen Petzold, AFP)

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