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Bundesaußenminister Heiko Maas, SPD.

© Reuters/Clodagh Kilcoyne/File Photo

Update

Reaktionen auf Brexit-Beschlüsse: Maas: "Werden nicht zulassen, dass Irland isoliert wird"

Nach dem Auftrag an Premierministerin May, in Brüssel nach zu verhandeln, ist sich Rest-Europa einig: Keine neuen Verhandlungen - und Sorge vor einem "No Deal".

Auch nach den ersten Entscheidungen im britischen Parlament zeichnet sich im Streit zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich über die Bedingungen des Brexit keine Annäherung ab. Die EU signalisierte am Mittwoch keinerlei Interesse daran, den mit Premierministerin Theresa May ausgehandelten Vertrag wie vom britischen Parlament gefordert aufzuschnüren. Die Regierungen der 27 in der EU verbleibenden Staaten seien sich darin einig, sagte der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani.

Bundesaußenminister Heiko Maas betonte, der Vertrag sei die "beste und einzige Lösung" für einen geordneten EU-Austritt. Maas sagte der Funke Mediengruppe, die EU stehe bei dem sogenannten Backstop fest an Irlands Seite. "Wir werden nicht zulassen, dass Irland in dieser Frage isoliert wird." Die britische Regierung müsse zügig sagen, welche Änderungen sie sich beim Backstop vorstelle, "denn die Zeit wird knapp".

Die Mehrheit der Abgeordneten im britischen Unterhaus hatte May am Dienstagabend mit einem Mandat ausgestattet, den Vertrag vor allem mit Blick auf die Regelung für Nordirland neu zu verhandeln. Angesichts des Widerstands in der EU schürt das die Ängste in der Wirtschaft vor einer Scheidung ohne Abkommen, also einem ungeordneten Brexit am bislang angesetzten Austrittsdatum, dem 29. März.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warnte vor den Folgen eines ungeregelten Brexit. Er habe große Sorgen, dass ein ungeregelter Ausstieg Großbritanniens aus der EU Ende März zu „erheblichen wirtschaftspolitischen Verwerfungen“ führen könne, sagte Altmaier am Mittwoch in Berlin.

Ein ungeordneter Ausstieg werde Großbritannien härter treffen, aber die deutsche Wirtschaft exportiere in starkem Maße ins Vereinigte Königreich. Die Bundesregierung werde alles dafür tun, um einen ungeregelten Brexit zu verhindern, dafür müssten die nächsten Tage genutzt werden. Die Bundesregierung rechnet inzwischen für das laufende Jahr wegen Risiken wie dem Brexit mit dem geringsten Wirtschaftswachstum seit 2013.

BDI: "Nachverhandlungen sind unverantwortliches Wunschdenken"

"Die deutsche und insbesondere die britische Wirtschaft steuern hier auf ein gewaltiges Desaster zu", warnte der Präsident des Außenhandelverbands BGA, Holger Bingmann. Und der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes BDI, Joachim Lang, sagte, für die Unternehmen sei es schwer erträglich, dass London weiter wertvolle Zeit verspielt. „Der Auftrag nachzuverhandeln ist unverantwortliches Wunschdenken und tut nichts dafür, die akute Gefahr eines chaotischen Brexits abzuwenden.“ Betriebe diesseits und jenseits des Ärmelkanals hingen weiter in der Luft.

Das Austrittsabkommen sei das bestmögliche Verhandlungsergebnis für die EU und das Vereinigte Königreich, so Lang. Für Nachverhandlungen bestehe kein Spielraum. „Spielräume gibt es nur für die Gestaltung der künftigen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union. Beide Seiten dürfen es nicht mehr aufschnüren, weil sich die Unsicherheit auch für die Wirtschaft in diesem Fall abermals vergrößern würde.“

"Ich hoffe, dass wir einen harten Brexit verhindern können", sagte auch EU-Parlamentspräsident Tajani vor Reportern. Man könne sich jedoch nur schwer vorstellen, "dass wir einen Deal neu verhandeln, der bereits von den EU-Mitgliedstaaten angenommen wurde".

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt appellierte dagegen an die EU-Kommission, den Wunsch des britischen Unterhauses nach Änderungen am Brexit-Vertrag nicht brüsk abzuweisen. Er halte die schroffe Reaktion Brüssels, es gebe keine Nachverhandlungen, für „befremdlich“, sagte Dobrindt am Mittwoch in Berlin. Nötig sei vielmehr eine flexible Reaktion, ohne das Gesamtpaket wieder aufschnüren zu wollen. „Starrsinn ist nicht europäisch.“

Zumindest eine Diskussion in Brüssel darüber müsse möglich sein, wie eine positive Entscheidung in England ermöglicht werden könne. Eine harte Haltung Brüssels werde nicht zu einer geordneten Lösung führen können.

Dass der gemeinsame Spitzenkandidat von CDU und CSU für die Europawahl, Manfred Weber, die Haltung Brüssels stärker akzentuiere, sei nachvollziehbar. Aber auch er habe sich keinem Gespräch verschlossen, sagte Dobrindt. Allerdings müssten die Briten selber formulieren, wie sie mit dem sogenannten Backstop, der Grenz-Frage zwischen Irland und dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland, umgehen wollten.

Das britische Parlament hatte sich am Dienstagabend zugleich gegen einen Brexit ohne Abkommen ausgesprochen, schloss aber eine Fristverlängerung über den 29. März hinaus aus. Es pocht auf Änderungen an der Auffanglösung, die die Wiedereinführung einer harten Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland verhindern soll. Darunter würde nicht nur der Handel zwischen den beiden Staaten leiden, es wird auch ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts befürchtet.

Brok: "Es geht Teilen des britischen Parlaments gar nicht um Einigung"

Der Brexit-Koordinator des EU-Parlaments, Elmar Brok, sagt, es gehe Teilen des britischen Parlaments gar nicht um eine Einigung.
Der Brexit-Koordinator des EU-Parlaments, Elmar Brok, sagt, es gehe Teilen des britischen Parlaments gar nicht um eine Einigung.

© Kay Nietfeld/dpa

Der Brexit-Koordinator des EU-Parlaments, Elmar Brok, sagte, es gehe Teilen des britischen Parlaments gar nicht um eine Einigung. Die Backstop-Regelung werde zu 99 Prozent niemals greifen. Das wüssten auch die Briten. Die EU müsse hart bleiben, um den Binnenmarkt zu bewahren. Es gebe „eine völlig einheitliche Auffassung aller demokratischen Fraktionen dieses Hauses“, bei der bisherigen Strategie der EU zu bleiben.

Der CDU-Abgeordnete machte deutlich, dass für die EU der Schutz des Binnenmarkts oberste Priorität sei. „Die Verteidigung des Binnenmarkts, der die Basis beispielsweise in Deutschland unseres ökonomischen Erfolges ist, ist doch wichtiger als die Gefahr eines harten Brexits“, sagte Brok. „Der Binnenmarkt ist die Zentrale der Europäischen Union. Wenn wir den Binnenmarkt zerstören, ist die Europäische Union am Ende.“ Zur Befürchtung, dass im Fall eines Brexits ohne Vertrag in Irland eine harte Grenze zu Nordirland entsteht, sagte Brok: „Wenn die Briten nicht bereit sind, diese Kernbedingung der Europäischen Union zu erfüllen, tragen sie allein die Verantwortung.“

Corbyn: "Bestehen darauf, dass No-Deal vom Tisch ist"

Auch Irlands Außenminister Simon Coveney sieht keine Alternative zu der vereinbarten Notfalllösung. Bei den zweijährigen Verhandlungen habe man nach anderen Wegen gesucht, um eine harte Grenze auf der Insel zu vermeiden, sagte er dem Staatsrundfunk RTE. Es sei keiner gefunden worden. "Und jetzt haben wir eine britische Premierministerin, die wieder für die gleichen Dinge wirbt, die wir geprüft haben."

Der britische Brexit-Minister Stephen Barclay warnte in der BBC, sein Land werde am 29. März ohne Abkommen aus der EU ausscheiden, "außer wir können uns auf etwas einigen". Das rief umgehend die Opposition auf den Plan. Labour-Chef Jeremy Corbyn werde bei einem Treffen mit May darauf bestehen, "dass der Wille des Parlaments respektiert wird und dass ein No-Deal jetzt vom Tisch ist", sagte ein Labour-Vertreter.

Barclay zufolge soll das Treffen im Laufe des Tages stattfinden. Am frühen Abend ist ein Telefonat Mays mit EU-Ratspräsident Donald Tusk geplant. Dieser hat bereits über einen Sprecher erklären lassen, dass die EU Nachverhandlungen ablehne. (Reuters, dpa)

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