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Politik: Rechnen macht klüger

Die CSU erregt sich über zu hohe Lasten aus der Gesundheitsreform – bislang sind sie freilich unbewiesen

Von Robert Birnbaum

Berlin - Der Tonfall aus Bayern ist immer noch ziemlich rau beim Thema Gesundheitsreform. Aber zwischen jenen Zeilen, in denen CSU-Politiker vor einem Scheitern der Reform warnen, sind zumal bei bundespolitisch tätigen Christsozialen inzwischen auch Entspannungssignale zu vernehmen. Das gilt speziell für die Frage, an der ihr Parteichef und Ministerpräsident Edmund Stoiber kurz vor Weihnachten neuen Aufruhr losgetreten hatte: den Streit darüber, ob die Reform die wohlhabenden Südländer über Gebühr belastet. Von bis zu 1,7 Milliarden Mehrbelastung allein für bayerische Versicherte hatte Stoiber gesprochen.

Doch je mehr Fachleute rechnen, desto deutlicher wird: Die Horrorzahl ist offenbar weit zu hoch gegriffen. Selbst Stoibers Unterhändler in der Koalitionsarbeitsgruppe Gesundheit, Unionsfraktionsvize Wolfgang Zöller, geht inzwischen davon aus, dass eher die Zahlen stimmen, die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt vom Bundesversicherungsamt hat errechnen lassen – zweistellige, maximal dreistellige Millionenbeträge.

Die Erkenntnis mag dadurch befördert worden sein, dass der Sachverständigenratschef Bert Rürup im Auftrag der Bundesregierung seit einer guten Woche nachrechnet und, wie Zöller zu berichten weiß, nächste Woche fertig sein will. Aber auch andere Gutachter kommen inzwischen zu Zahlen deutlich unterhalb der Skandalschwelle. Etwa das Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). Das Essener Institut kommt in einer Expertise im Auftrag der NRW-Landesregierung zu dem Schluss, dass die Bürger Bayerns zwischen 22 und 28 Millionen Euro mehr in den Gesundheitsfonds einzahlen werden, als ihre Kassen herausbekommen. Größter Nettoverlierer wäre nach dieser Berechnung der Auftraggeber Nordrhein- Westfalen mit bis zu 142 Millionen Euro – Millionen, nicht Milliarden.

Gleichwohl bleibt Zöller vorerst bei der amtlichen Linie, dass ohne klare Zahlen aus dem Hause Schmidt kein Ja der CSU zur Reform zu haben sei. Die Ministerin selbst findet das eine „überflüssige Zahlendebatte“. Schließlich könne nach der vereinbarten „Konvergenzklausel“ kein Land mit mehr als 100 Millionen Euro im Jahr belastet werden. Der Sozialdemokratin passt der ganze Tonfall der Debatte nicht: „Die Krankenversicherung ist eine Solidargemeinschaft für alle. Es gibt keine Süd- und auch keine Ostsolidarität“, hat sie den heimischen „Aachener Nachrichten“ gesagt.

Tatsächlich dürfte der Zahlenstreit rasch erledigt sein, wenn sich die Länder-Ministerpräsidenten und dann die Koalitionsrunde am 10. Januar mit der Gesundheitsreform befassen. Ob das mit anderen Streitpunkten ähnlich einfach geht, ist weniger sicher. Vor allem beim Thema „Private Krankenversicherung“ wollen Unionspolitiker – und keineswegs nur aus Bayern – sicherstellen, dass die Privatkassen nicht durch die neue Pflicht zum Basistarif für jedermann ausgeblutet werden. Eine Sorge, in der die Union neuerdings heftig bestärkt wird von einem ehemals ganz guten Kumpel: Gar nicht gut wäre das, wenn „Millionen Privatversicherte faktisch enteignet würden“, hat der FDP-Chef Guido Westerwelle gesagt, und dass es doch am besten wäre, diese ganze Reform in die Tonne zu treten: Er sei zu einem „überparteilichen Neuanfang“ bereit.

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