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Politik: Rechte Gewalt steigt dramatisch

20 Prozent mehr Straftaten als 2005 / Politiker von SPD und Linkspartei fordern „Demokratiegipfel“

Von Frank Jansen

Berlin - Die Kriminalität der rechtsextremen Szene in Deutschland ist offenbar nicht zu stoppen. Das Bundeskriminalamt hat von Januar bis Ende August schon fast 8000 rechte Straftaten registriert. Das sind über 20 Prozent mehr als in den ersten acht Monaten des Jahres 2005, damals zählte die Polizei 6605 einschlägige Delikte. Im Vergleich zu dem gleichen Zeitraum 2004 (5127 Straftaten) zeichnet sich sogar ein Anstieg um 50 Prozent ab. Die Zahlen entstammen den Antworten des Bundesinnenministeriums auf monatliche Anfragen der Fraktion Die Linke/PDS zu rechtsextremer Kriminalität in der Bundesrepublik.

Gleichzeitig nimmt auch die Brutalität der Szene weiter zu. Von Januar bis August zählte die Polizei bundesweit 452 rechte Gewalttaten, bei denen 325 Menschen verletzt wurden. In den ersten acht Monaten 2005 waren es 363 Gewaltdelikte und 302 Verletzte. Die Summe der Gewalttaten ist Teil der Gesamtzahl aller rechten Delikte. Die vom Ministerium genannten Zahlen werden sich wahrscheinlich noch deutlich erhöhen, da die Polizei in der Regel viele Fälle nachmeldet.

Das Innenministerium und Politiker aller Parteien zeigten sich beunruhigt. Im Ministerium wurde vor allem mit Sorge registriert, dass die Zahl der rechten Gewalttaten im August gegenüber Juli „nicht unerheblich gestiegen“ ist, wie es am Montag in einer Stellungnahme hieß. Im August hatte die Polizei 67 rechte Gewaltdelikte festgestellt, 27 mehr als im Juli. Dennoch scheint die Fußball-Weltmeisterschaft die Kriminalität der rechten Szene kaum gedämpft zu haben, auch wenn sich NPD und Neonazis aufgrund der schwarz-rot-goldenen Begeisterung im Lande mit provokativen Auftritten in der Öffentlichkeit zurückhielten. Im Juni und Juli zählte die Polizei jeweils mehr als 1000 rechte Delikte, außerdem war die Zahl der Gewalttaten im Juni mit 67 genauso hoch wie im August.

In SPD und Linkspartei wurden Stimmen laut, die angesichts der rapide wachsenden rechten Gefahr einen „Demokratiegipfel“ fordern. Nach dem Vorbild des Integrationsgipfels, der im Juli unter Regie von Kanzlerin Angela Merkel in Berlin stattfand, sollten demokratische Parteien, Glaubensgemeinschaften, Gewerkschaften, Verbände und Sportvereine eine Strategie gegen den Rechtsextremismus überlegen, forderte Sebastian Edathy (SPD), Vorsitzender des Innenausschusses. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linkspartei) regte zudem die Bildung einer „unabhängigen Beobachtungsstelle Rechtsextremismus“ an. Bei Union und Grünen stieß die Idee eines Demokratiegipfels auf Widerstand. Er setze auf eine Kombination aus konsequenter Strafverfolgung, Hilfe für Szene-Aussteiger und stärkere politische Bildung, sagte Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach. Nach Ansicht von Grünen-Chefin Claudia Roth sollte die Regierung statt „Gipfelei“ die Förderung zivilgesellschaftlicher Projekte gegen rechts sicherstellen. Für den FDP-Innenexperten Max Stadler macht ein Demokratiegipfel nur Sinn, wenn er nachhaltige politische Aufklärung befördert. Die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, warf der Politik „eine bagatellisierende Haltung“ zu den rechtsextremen Exzessen vor.

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