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Politik: Rechtsextremismus: Das BKA übt Selbstkritik

Selbstkritik bis zuletzt: "Die Polizei hat Schwierigkeiten mit einem Phänomen, das sich so völlig anders darstellt als der Linksterrorismus", sagte Ulrich Kersten, Präsident des Bundeskriminalamts, zum Abschluss der Herbsttagung seiner Behörde am Donnerstag in Wiesbaden. Mit dem "Phänomen" ist der Dreiklang von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit gemeint, der seit dem Sommer offenbar noch stärker in die Ohren der Kriminalexperten dringt.

Von Frank Jansen

Selbstkritik bis zuletzt: "Die Polizei hat Schwierigkeiten mit einem Phänomen, das sich so völlig anders darstellt als der Linksterrorismus", sagte Ulrich Kersten, Präsident des Bundeskriminalamts, zum Abschluss der Herbsttagung seiner Behörde am Donnerstag in Wiesbaden. Mit dem "Phänomen" ist der Dreiklang von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit gemeint, der seit dem Sommer offenbar noch stärker in die Ohren der Kriminalexperten dringt. Mit weitreichenden Folgen. "Wir müssen uns regelmäßig einem Evaluationsprozess stellen", verkündete Kersten, als sei er Rektor einer deutschen Hochschule, die dem strengen Blick externer Prüfer ausgesetzt ist.

Der BKA-Chef nahm denn auch gleich vorweg, was eine Art Evaluierung in diesem Jahr ergeben hätte: Defizite im System der Erfassung rechter Straftaten sowie dringender Handlungsbedarf bei Vorbeugung und Repression. Er plädierte zudem für schärfere Gesetze, um rechtsextremistische Straftaten zu bekämpfen.

Auch andere Experten wollten in Wiesbaden demonstrieren, dass die breite gesellschaftliche Debatte in den Behörden angekommen ist. Da sinnierte Generalbundesanwalt Kay Nehm, ob es nicht besser gewesen wäre, er hätte nach der tödlichen Hetzjagd im ostbrandenburgischen Guben die Ermittlungen an sich gezogen.

Ein anderes Beispiel: Jörg Ziercke, Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium von Schleswig-Holstein, gab eine schwere Panne zu. Dass der Mord an dem Polizisten Stefan Grage, begangen im Februar 1997 von dem Berliner Neonazi Kay Diesner, bis vor kurzem nicht in der offiziellen Statistik über Todesopfer rechter Gewalt auftauchte, sei einem Mangel an Sensibilität im Landeskriminalamt geschuldet.

Ziercke präsentierte in der abschließenden Podiumsdiskussion zudem fast schon so etwas wie einen Aufruf zu antifaschistischer Aktion. "Wir hätten polizeilich möglicherweise weniger Probleme", sagte der Ministerialdirigent, "wenn statt 3000 engagierter Bürger 30 000 bis 50 000 auf die Straße gingen, um Neonazis den Weg zu verstellen". Von den 300 Fachleuten im Publikum war kein Widerspruch zu hören.

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