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Politik: Rechtsextremismus: Schönes Leben für Neonazis?

Erstaunlich rasch wurde die Enge des Themas geknackt: Zu Beginn eines dreitägigen Kongresses über Rechtsextremismus kam in Leipzig gleich der Zustand der Demokratie in Deutschland überhaupt zur Sprache. Und die Diagnosen klangen nicht gerade optimistisch.

Von Frank Jansen

Erstaunlich rasch wurde die Enge des Themas geknackt: Zu Beginn eines dreitägigen Kongresses über Rechtsextremismus kam in Leipzig gleich der Zustand der Demokratie in Deutschland überhaupt zur Sprache. Und die Diagnosen klangen nicht gerade optimistisch. "Jugendliche spüren die Enge der Bundesrepublik", rief Michel Friedman, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, in das etwa tausendköpfige Publikum im Congresscenter auf dem neuen Messegelände. Vehement warb Friedman dafür, abweichendes Verhalten nicht zwanghaft zu nivellieren. In welchem Maße das Vertrauen in das politische System bei der Generation zwischen 15 und 25 schwindet, verdeutlichte der 22-jährige Björn Richter vom Landesjugendring Mecklenburg-Vorpommern: bei einer Umfrage unter Schülern in Rostock hätten 60 Prozent angegeben, die Demokratie sei als Leitbild nicht mehr geeignet.

Friedman und Richter äußerten sich bei einer Podiumsdiskussion, an der auch Bundesinnenminister Otto Schily, der Polit-Grafiker Klaus Staeck, der Berliner Rechtsextremismus-Experte Bernd Wagner, die Psychotherapeutin Ute Benz und Wilfried Schubarth von der Universität Greifswald teilnahmen. Den Kongress über Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus veranstaltet die Bundeszentrale für Politische Bildung. Das Motto wurde in eine Frage gefasst: "Verirrung, Provokation oder Protest?" Eine Antwort gab Schily in seinem Eröffnungsvortrag: 13 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahre tendierten zu rechtsextremistischen Einstellungen.

Der Minister scheute sich nicht, gerade in Leipzig das besondere Problem des Ostens noch einmal zu benennen - obwohl er dafür in den vergangenen Monaten aus den neuen Ländern reichlich Kritik einstecken musste. Autoritäre und fremdenfeindliche Einstellungen seien in Ostdeutschland stärker ausgeprägt, die rechten Straftäter "jünger, spontaner und gewalttätiger". Andererseits kämen nur 18 Prozent der Mitglieder rechtsextremistischer Parteien aus den neuen Ländern, nämlich 7000 von 37 000.

Eindringlich bat Schily, die in Entwicklung befindlichen Aussteiger-Programme von Bund und Ländern nicht mit der Unterstellung anzuzweifeln, der Staat wolle mit finanziellen Hilfen "Rechtsextremisten ein schönes Leben bereiten". Worum es tatsächlich geht, umschrieb der Minister mit der Ankündigung eines weiteren "Strategie-Programms" der Bundesregierung mit dem Titel "Jugend Chancen geben".

Die Wirkung staatlicher Aufbauprogramme für die Demokratie wurde in der Podiumsdiskussion skeptisch bewertet. Die Politiker müssten mit engagierten jungen Leuten "vor Ort zusammenwirken", forderte Björn Richter, der seine Erfahrungen in Mecklenburg-Vorpommern als Warnung präsentierte: "Die Rechten sind besser organisiert, sie handeln schneller und haben auch Geldquellen". Bernd Wagner, zu DDR-Zeiten als Kriminalpolizist mit Skinheads und Neonazis befasst, argumentierte ähnlich. Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus gehe es schlicht um die "Kultur der Freiheit in diesem Land".

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