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Reden über Europa

© Uwe Steinert

Reden über Europa: In drei Schritten die Welt retten

Es gibt Rezepte gegen den Klimawandel und die Finanzkrise: Über den New Global Deal diskutierte die Runde, die sich auf Einladung der Allianz Kulturstiftung und des Tagesspiegels in Berlins guter Stube am Pariser Platz zu einem vierten "Reden über Europa" traf.

Berlin - „New Global Deal“, das klingt schon rätselhaft. Und die Übersetzung des Moderators macht das Schlagwort auch noch zu einer Provokation: „Wie können wir die Konjunkturprogramme gegen die globale Finanzkrise so steuern, dass sie auch noch den ökologischen Umbruch bringen?“ fragt Tagesspiegel-Redakteur Harald Schumann. Mal eben die beiden schlimmsten Krisen des Planeten mit einer Klappe schlagen – ist das vermessen? Im Gegenteil, entgegnet die indische Umweltaktivistin Sunita Narain: „Die Finanzkrise wurzelt tief in der Klimakrise. Das aktuelle Weltwirtschaftssystem beruht auf einem Konsum, den wir uns nicht mehr leisten können. Er ist nicht gut für die Welt und er ist langfristig auch nicht gut für die Banken.“

Was also tun gegen die doppelte Krise? Da hielt die Runde, die sich am Sonntag auf Einladung der Allianz Kulturstiftung in Berlins guter Stube am Pariser Platz zu einem vierten „Reden über Europa“ traf, die nächste Überraschung für ihre vielen Zuhörer bereit. Eigentlich genügten „drei ganz einfache Maßnahmen, um die Welt komplett zu ändern“, sagte Hans-Joachim Schellnhuber, Physiker, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Chefberater der Bundesregierung in Klimafragen: Die Regierungen müssten sich auf ein langfristiges Konzept einigen, den Klimawandel wenigstens zu stabilisieren, zweitens müsse es gleiche Verschmutzungsrechte für jeden Erdenbürger geben, kein Amerikaner den Planeten folglich mit dem Zigfachen des Kohlendioxidausstoßes eines Inders belasten dürfen. Und drittens müsste dieses Recht international gehandelt werden. Dann flössen Investitionen und Reichtum auch nach Afrika und Südasien, die Umwelt würde gerettet und die Welt gerechter.

Freilich: So einfach, so undurchführbar. Er komme gerade von einer Vorbereitungstagung des nächsten Klimagipfels in Kopenhagen, sagte Schellnhuber, und er fürchte, dass nichts von alledem geschehen werde. „Nichts auf unserer politischen Agenda ist in der Nähe des Ziels, den Klimawandel auch nur zu stabilisieren. Ich fürchte, wir haben schon alle Gelegenheiten verpasst.“ Beim Russischen Roulette verspreche die eine Kugel im Sechser-Magazin eine Überlebenschance von fünf zu eins. Was aber in Kopenhagen auf dem Zettel stünde, verheiße bestenfalls eins zu eins – also ein Verhältnis, auf das sich nur ein verrückt Verliebter oder ein entschlossener Selbstmörder einlasse. Der charmante Pessimismus des deutschen Forschers („Was, Sie haben nie Russisches Roulette gespielt? Es macht Spaß!“) stieß allerdings auf den kompakten Widerstand seiner Mitstreiter. Wenn man nicht an den Erfolg von Kopenhagen glaube, dann werde es auch keiner, wettert Prabhu Guptara, Chef der Denkfabrik der schweizerischen UBS-Bank und Mitglied im „World Future Council“, das sich dem Bau einer besseren Welt verschrieben hat.

Dabei hatten zuvor auch schon die Optimisten auf dem Podium tiefschwarze Fakten präsentiert: Robert Glasser, der Generalsekretär von „Care“, sammelt derzeit Informationen bei allen Mitarbeitern aus den fast 70 Ländern, in denen seine Organisation arbeitet. Ergebnis: In Kambodscha gehen weniger Mädchen zur Schule als früher, in Burma insgesamt weniger Kinder, weil sie zum Familieneinkommen betragen müssten, in Bangladesh essen die Menschen weniger und schlechter. Bolivien ist nicht nur durch den Einbruch der Überweisungen von in Spanien arbeitenden Landsleuten getroffen. Die müssten jetzt auch zurück, und ihre Rückkehr erhöht die Zahl der Bedürftigen. Glasser: „Wir spüren die Auswirkungen der Krise inzwischen überall. Und sie werden stärker.“ Und während China etwa 40 Prozent seines aktuellen Anti-Krisen-Pakets in grüne, nachhaltige Projekte investiert und Südkorea sogar 80, sind es in den USA bestenfalls zehn Prozent. Sunita Narain war erstaunt, von der deutschen Abwrackprämie zu erfahren: „Ich dachte: Wow, in Deutschland bekommt die Autoindustrie also jetzt Anreize, noch mehr Autos zu bauen?“

Gibt es dennoch etwas, was den Kämpfern für eine bessere Welt in der Krise Hoffnung macht, fragt Moderator Schumann. Gibt es: Für Physiker Schellnhuber ist es Obamas neuer Energieminister Steven Chu. Dass ein erklärter Anwalt alternativer Energien ernannt wird, „das hätte ich nie gedacht“. Für Guptara sind es Gespräche mit Vertretern des globalen Establishments, die ihn hoffen lassen: „Erst war ich deprimiert. Aber inzwischen höre ich täglich kleine Hinweise, die mich sicher machen, dass das System nicht unverändert bleiben wird. Es sind kleine Signale, aber ich höre sie jeden Tag.“

 Andrea Dernbach

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