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Politik: Regieren geht über votieren

Kanzler Schüssel fürchtet Neuwahlen mehr als eine FPÖ-Schlammschlacht

Einen Tag nach der Spaltung der Freiheitlichen Partei Österreichs zeigte sich Österreichs Kanzler Wolfgang Schüssel wieder einmal in seiner Lieblingsrolle: als gelassener Machtpolitiker, den nichts so schnell aus der Ruhe bringt. Er werde mit Jörg Haiders „Bündnis Zukunft Österreichs“ (BZÖ) weiterregieren, weil Haider und vor allem dessen Vizekanzler Hubert Gorbach ihm „Stabilität zugesichert haben“. Von vorgezogenen Neuwahlen wollte Schüssel nichts wissen, und daran werde sich bis zu den Nationalratswahlen im Herbst 2006 auch nichts ändern.

Rein rechtlich hat Schüssel tatsächlich keine Probleme, zur Tagesordnung zurückzukehren. Personelle Änderungen im Regierungsteam gibt es nicht, und dass die ehemaligen FPÖ-Abgeordneten im Parlament zur Regierung halten, wurde bereits am Dienstagnachmittag klar, als ein Misstrauensantrag der Grünen gegen die Bundesregierung scheiterte. Im Nationalrat kann die Regierung also weiterregieren, als wäre nichts passiert.

Taktisch wird es Schüssels Koalition aber deutlich schwerer haben. So hat die Regierung nun im Bundesrat, der Länderkammer des Parlaments, keine Mehrheit mehr. Zwei der fünf FPÖ-Bundesräte wollen nämlich nicht zur BZÖ wechseln und mit der Opposition stimmen – das kostet Zeit. Alle Nationalratsgesetze müssen in Österreich dem Bundesrat vorgelegt werden. Werden sie dort abgelehnt, gehen sie wieder an die erste Kammer zurück und müssen dort mit einem so genannten „Beharrungsbeschluss“ beschlossen werden. Das dauert jedes Mal mehrere Wochen.

Außerdem wird die neue Führung der alten FPÖ rund um den Wiener Parteichef Heinz-Christian Strache wohl mangels parlamentarischer Vertretung versuchen, sich über die Medien zu profilieren. Material dafür gibt es genug: Strache und Co. erben von Haider nicht nur rund fünf Millionen Euro FPÖ-Schulden, sondern auch tonnenweise interne Aufzeichnungen über die alte Parteispitze. Dabei geht es um Protokolle, die Haiders Aversion gegen den Kanzler deutlich machen, und dessen großzügiges Finanzgebaren. Einen Vorgeschmack lieferte Strache, als er mit schriftlichen Dokumenten Haider der Wortbrüchigkeit zieh. Haider hatte Strache nämlich noch zwei Wochen zuvor angeboten, FPÖ-Chef zu werden und ihn, Strache, die Geschäfte führen zu lassen.

Eine Schlammschlacht zwischen FPÖ- Alt und FPÖ-Neu ist also zu erwarten. Und selbst bürgerliche Meinungsforscher fürchten, dass Schüssel dadurch beschädigt werden könnte. Dennoch, so heißt es aus ÖVP-Kreisen, habe der Kanzler keine andere Möglichkeit, als mit Haiders BZÖ zu regieren. Bei Neuwahlen würden beide FPÖ-Parteien an der Vierprozenthürde scheitern.

Markus Huber[Wien]

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