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Politik: Regierungskoalition: Noch nicht verbraucht

Das Wort, das Rezzo Schlauch die ganzen Tage nicht in den Mund nehmen wollte, irgendwann rutschte es ihm doch heraus: Krise - als Beschreibung der Zustände in den vergangenen Tagen in der rot-grünen Koalition. Einen Abend und einen Vormittag hatten die Fraktionsführungen von SPD und Grünen in Wörlitz zusammengesessen, erst gemütlich beim Wildschweinbraten, dann sachlich im Tagungsraum eines Hotels.

Von Matthias Meisner

Das Wort, das Rezzo Schlauch die ganzen Tage nicht in den Mund nehmen wollte, irgendwann rutschte es ihm doch heraus: Krise - als Beschreibung der Zustände in den vergangenen Tagen in der rot-grünen Koalition. Einen Abend und einen Vormittag hatten die Fraktionsführungen von SPD und Grünen in Wörlitz zusammengesessen, erst gemütlich beim Wildschweinbraten, dann sachlich im Tagungsraum eines Hotels. Und Fraktionschef Schlauch sagte, es sei doch "sehr gut", wie diese Krise mit den raschen Neubesetzungen im Kabinett gemeistert worden sei. "In dieser Krise liegt eine Chance."

Es sollte eine freundliche Begegnung sein. Über die "nahtlose Fortsetzung der Zusammenarbeit zwischen beiden Fraktionen" philosophierte SPD-Fraktionschef Peter Struck, über die Bereitschaft der Genossen, der grünen Agrar- und Verbraucherschutzministerin Renate Künast bei ihrer "schwierigen Aufgabe" zu helfen. Und ausdrücklich versicherte Struck, dass die Umbenennung des Künast-Ministeriums "natürlich mit einer Konzeptionsänderung" verbunden sei. "Der Geist von Wörlitz hat die Koalition beflügelt", schwärmte Schlauch.

"Bestens eingestimmt" sehen sich die Koalitionäre nun für die anstehenden Sachdebatten. Bei der Rente sehen sie sich im Zeitplan: Bis kommenden Dienstag, zu den regulären Sitzungen beider Fraktionen, sollen die letzten offenen Details geklärt sein - unter Einbeziehung der Ministerien für Bau, Finanzen und Arbeit. Streitpunkt ist bisher noch die Einbeziehung von Wohneigentum, zu der "über das Wochenende noch einige Fragen zu klären sind", wie Struck erläuterte. Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen, verbreitete Optimismus: "Ich bin zuversichtlich, dass wir das bis Dienstag in einer Form haben, wo es funktioniert." Auch in der SPD gebe es "inzwischen breite Zustimmung" für dieses von den Grünen seit langem verfolgte Vorhaben.

Nach den Turbulenzen der vergangenen Tage stehen jetzt die Gemeinsamkeiten auf dem Arbeitsplan bis 2002. Bis Mai soll die von Innenminister Otto Schily (SPD) geleitete Zuwanderungskommission ihre Pläne vorlegen - und Struck ahnt bereits, dass es in der Koalition "große Übereinstimmungen" dazu geben wird. Die Bahnreform, der Wohnungsleerstand in ostdeutschen Plattenbauten - fast andächtig hörten sich Grüne und Sozialdemokraten an, was die Fachleute an Problemen vortrugen und versicherten sich gegenseitig, rasch nach Lösungen zu suchen. "In ganz ruhigem Fahrwasser" würden die Reformen weiter vorangetrieben, gab Schlauch als Losung aus.

Demgemäß soll auch die Auseinandersetzung um die Veröffentlichung der Stasi-Akten von Helmut Kohl nicht für Unfrieden unter Koalitionären sorgen. "De-Eskalation" sei das Ziel, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Uwe Küster: "Das Thema hat uns gerade mal 30 Sekunden beschäftigt." Struck signalisierte nach dem Machtwort von Bundeskanzler Gerhard Schröder Kompromissbereitschaft und hält nun die zuvor kritisierte Rechtsauffassung von Innenminister Otto Schily für eine "vertretbare juristische Interpretation". Doch beharrte er, im Einklang mit den Grünen, auf seiner grundsätzlichen Position: "Ich hielte es für falsch, jetzt eine Lex Kohl zu installieren."

Beste Aussichten für das Regierungsbündnis? Reformmotor seien die Grünen dort, erläuterte die grüne Fraktionssprecherin Kerstin Müller. Struck konterte reserviert: "Man kann auch mit einem Acht-Zylinder fahren. Wenn die Grünen zwei Zylinder mitbringen und wir sechs, ist das in Ordnung." Der SPD-Fraktionschef: Bis 2002, zur nächsten Bundestagswahl, sei die Sache klar, dann müsse der Wähler entscheiden. "Wir sehen den Vorrat an Gemeinsamkeiten zwischen SPD und Grünen noch nicht als verbraucht an."

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