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Politik: Riese in Fesseln

Die EU lähmt sich in Johannesburg selbst. Der Streit um die eigenen Agrarsubventionen verhindert ein geschlossenes Auftreten

Von Dagmar Dehmer

„Für Jürgen Trittin gibt es hier noch viel zu tun", sagt Jennifer Morgan. Die Klimaexpertin des World Wide Fund for Nature (WWF) in Washington hätte sich allerdings gewünscht, dass der deutsche Umweltminister früher zum Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg gereist wäre. Viele Nicht-Regierungsorganisationen (NRO) schätzen Trittin, der bei den Klimaverhandlungen stets eine konstruktive Rolle gespielt habe. Er habe weder Positionen zu früh aufgegeben, noch Kompromisse verhindert, loben die Aktivisten.

Die deutsche Delegation genießt hohes Ansehen. Die fünf deutschen Spitzenbeamten, die in der ersten Woche des Weltgipfels die Verhandlungen führten, gelten als exzellente Fachleute und kluge Strategen. Der Rest der Delegation besteht aus rund 130 Mitgliedern, von denen fast die Hälfte aus Nicht-Regierungsorganisationen entsandt wurden.

Allerdings haben es Jürgen Trittin (Grüne) und Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) diesmal nicht leicht, die hohen Erwartungen zu erfüllen. Denn die Verhandlungen haben bisher kaum zu nennenswerten Ergebnissen geführt. Und die Euphorie, die vor zehn Jahren beim Erdgipfel in Rio ein anspruchsvolles Ergebnis ermöglicht hatte, ist vor allem auf Seiten der Entwicklungsländer tiefer Enttäuschung gewichen. Dazu kommt, dass die deutsche Delegation allein kaum etwas ausrichten kann. Sie verhandelt als Teil der EU-Delegation – und die ist sich in vielen Fragen alles andere als einig. Eine Behauptung, die Jürgen Trittin zwar bei seinen morgendlichen Pressekonferenzen pflichtschuldig zurückweist. Doch ist unübersehbar, dass die EU vor allem in der Debatte um die Globalisierung, Finanzen und Subventionen keine einheitliche Rolle spielt. Während Wieczorek-Zeuls Staatssekretärin Uschi Eid sich vehement dafür einsetzt, dass die EU ihre Agrarsubventionen abbaut, um den Entwicklungsländern entgegenzukommen, zeigen vor allem Frankreich, Spanien und Irland wenig Neigung, sich von den lieb gewonnenen Zuwendungen aus Brüssel schneller zu verabschieden als unbedingt nötig. Die Entwicklungsstaaten monieren nun, dass der Zugang zum europäischen Markt wegen der EU-Agrarsubventionen nicht fair sei.

Die dänische Ratspräsidentschaft wird von der deutschen Delegation zwar durchaus gelobt. Doch die veränderte politische Großwetterlage in Europa – die Mehrheit der Länder wird inzwischen konservativ oder von Rechts- Koalitionen regiert – macht sich in Johannesburg deutlich bemerkbar.

Es hat sich aber noch etwas verändert. Die Nicht-Regierungsorganisationen haben in Johannesburg bisher keine Schlagkraft entwickeln können. Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, hält die starke Spezialisierung der Organisationen nach Rio für einen wesentlichen Grund für ihre derzeitige Schwäche. Außerdem verfolgten die großen Organisationen, wie WWF und Greenpeace, auf dem Gipfel ihre eigenen Ziele. Eine Abstimmung habe nicht oder viel zu spät stattgefunden, bedauert Fücks.

Wenn die Nicht-Regierungsorganisationen kaum wahrnehmbar seien, sei es für die Regierungen, die ein Arbeitsprogramm mit Zielen und Zeitplänen wollten, schwieriger, diese gegen unwillige Regierungen wie die USA durchzusetzen. Trotzdem will noch niemand den Gipfel ganz abschreiben. Schließlich kommen an diesem Montag die Regierungschefs. Und wenn die Minister den Knoten nicht lösen können, müssen halt die Chefs eine Lösung finden.

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