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Robert Bosch Academy: Drama des Friedens

Wie der Brite Robert Cooper Geschichte als Spiegel aktueller Politik nutzt.

Ein bisschen fühlt sich Robert Cooper wohl wie ein Fußballtrainer. Der ist ein hoch bezahlter Profi, aber irgendwie meint doch jeder Zuschauer, er wisse viel besser, mit welcher Formation das beste Ergebnis zu erzielen wäre. Diplomatie ist für den Philosophen unter den europäischen Strategen ein diffiziles Geschäft für Profis, schnelle Kommentare eher etwas für Amateure. Robert Cooper liebt lange Linien – historische Vergleiche als Spiegel wie Weckruf für aktuelle Politik sind eine Leidenschaft des britischen Spitzendiplomaten.

„Um die Gegenwart zu verstehen, müssen wir zuerst die Vergangenheit verstehen, denn die Vergangenheit ist weiter unter uns.“ Für seine Idee der humanitären Intervention, die als „neuer liberaler Imperialismus“ bekannt wurde, zog er historische Vergleiche vormoderner, moderner und postmoderner Staaten, jüngst verband er die Lage der EU mit der Habsburgermonarchie. Cooper ist bei aller Kritik an deren Institutionen überzeugter EU-Anhänger, manche nennen ihn einen Idealisten. „Ich hoffe, wir Briten bleiben dabei“, sagt er in diesen Tagen des Streits um den Kommissionschef, den er mit Sorge verfolgt.

Es dürfe kein Kampf der Egos gefochten werden, das Amt sei viel zu wichtig. Dem Politiker und Ökonomen ist ein gewisser Ärger anzumerken, vielleicht kann man es sogar Leiden nennen. Bei aller Zurückhaltung findet er doch immer wieder deutliche, teils spitze Worte. Europa steht aus Sicht des Mannes, der vielen als Mastermind der Europäischen Sicherheitsstrategie gilt, an einer Wendemarke. Nicht zuletzt, weil „die Welt, die von Amerika beherrscht wurde, zu Ende ist“.

Der 66-Jährige beschreibt das so: „Es gibt Momente in der Geschichte, wo die Dinge fließen, wenn der Zement noch nicht durchgetrocknet ist und Veränderungen möglich sind.“ Die Lage in der Ukraine etwa sei „völlig offen“, in China explodierten Ideen und Debatten, ganz Asien formiere sich neu – „aber die EU hat keinerlei Strategie“. Mit Blick auf Asien ist dies für Cooper das wohl „größte Defizit“. Coopers Ansicht nach wäre es fatal, wenn sich Europas Staaten wieder eher national orientierten.

„Es gibt große Herausforderungen zu Hause, aber die gesamte Welt ist mindestens genauso wichtig für das, was in unserem eigenen Land passiert“, mahnt der Berater von Lady Ashton und frühere außenpolitische „Guru“ von Toni Blair. Die Europäische Union müsse zusammen agieren, nur dann habe sie Gewicht. Für effektive EU-Außenpolitik reiche die so oft geforderte eine Person nicht aus, es brauche das Zusammenspiel mit den nationalen Regierungen. Europa werde weltweit diplomatisch viel mehr gefordert: „Ich bin dafür, mit allen zu reden: Russland, Al Qaida, Iran.“

Gewalt ist für Cooper nur das allerletzte Mittel. Die Debatte um Sicherheit und sinkende Verteidigungsetats vor Augen wie die Reden von Präsident Joachim Gauck im Ohr, sieht er jedoch militärisch Reformbedarf: „Wir brauchen nicht eine europäische Armee, wir brauchen ein europäisches Gewehr.“ Will heißen einheitliche Ausrüstung. Das mache gemeinsame Aktionen effizienter und billiger, schließe aber Wettbewerb der Hersteller nicht aus. Er weiß aber, dass so etwas langen Atem erfordert: „Regierungen wie Firmen könnten diese Idee möglicherweise hassen.“

Nairobi, London, Oxford, Philadelphia, Brüssel, Bonn, Tokio, Kabul, Yangon – mit seinem Leben verbinden sich Städte und Meriten rund um den Globus. Als Weizsäcker Fellow will Cooper ab Herbst in Berlin den deutschen Part seines Buchs „Sternstunde der Diplomatie“ recherchieren. Adenauer, Brandt und Kohl interessieren ihn besonders. Wieder einmal möchte er über die Geschichte die Diplomatie erhellen. Im Frieden, findet Cooper, steckt mindestens so viel Drama wie im Krieg.

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