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Roland Koch: Tibet, Washington, Offenbach

Ministerpräsident Roland Koch tourt durch die Welt – doch daheim bröckelt die absolute Mehrheit vor der Wahl im Januar 2008.

Gerade ist Roland Koch aus Tibet zurückgekehrt, bald, im September, stehen Washington und New York auf dem Terminkalender. Das ist die große, weite Welt der Politik. Von dieser Welt, von seinen außenpolitischen Ambitionen, mag der Ministerpräsident und CDU-Vize auch nicht lassen – aber daheim in Hessen bröckelt seine Macht. Am 27. Januar 2008 wird gewählt, und vielleicht wird die politische Welt des Roland Koch dann wieder etwas kleiner werden. Es droht erheblicher Stimmenververlust, und vielleicht sogar mehr als nur der Verlust der absoluten Mehrheit.

Vor fünf Jahren hatte Koch mit 48,8 Prozent für die CDU die absolute Mehrheit der Sitze im Landtag errungen. Diesmal gilt als sicher, dass es die CDU alleine nicht schaffen kann. Sogar zusammen mit Wunschpartner FDP könnte es knapp werden. Nach TNS-Infratest stagniert Kochs Partei derzeit bei 40 Prozent, die schwächelnde FDP rangiert mit sieben Prozent nur auf Platz drei. SPD (33 Prozent), Grüne (elf Prozent) und Linkspartei (fünf Prozent) dürften wegen gegenseitiger Unverträglichkeit zwar kein Bündnis schmieden, könnten aber Kochs Wiederwahl verhindern.

Am Wochenbeginn steht Koch in der protzigen Empfangshalle der kommunistischen Partei, und es begrüßt ihn in Peking der für Außenpolitik zuständige Vizepräsident im ZK, Zhang Zhijun, als „häufigen Gast und Freund Chinas“. Eine Woche reist Koch durch Tibet, auf Einladung der Regierung, die dem „Staatsmann Koch“ eine prosperierende Provinz vorführen will. Für den Freund des Dalai Lama und Kritiker der chinesischen Tibetpolitik ist die Reise, wie er sagt, „eine Gratwanderung“. Dass er den Chinesen trotz seines demonstrativen Eintretens für das religiöse und kulturelle Selbstbestimmungsrecht der Tibeter als verlässlicher Partner gilt, macht ihn stolz. Koch gibt sich so, wie ihn seine Gegner fürchten und er sich selbst am liebsten beschrieben sieht: unnachgiebig, kompetent, prinzipientreu.

In China warnt er vor dem „Tod der kulturellen Identität Tibets“, in Hessen protestieren 46 000 Demonstranten, als er im Alleingang die Leistungen des Landes für Frauenhäuser und Schuldnerberatungsstellen zusammenstrich, um den Haushalt zu konsolidieren. Nirgendwo sonst gingen so viele Studenten gegen die Einführung von Studiengebühren auf die Straße, 72 000 unterstützen die Volksklage vor dem Staatsgerichtshof. Koch setzte gegen Widerstände die Privatisierung der Unikliniken Gießen und Marburg durch, er sorgte für die erste teilprivatisierte Haftanstalt in Deutschland. Der Staat muss sich auf seine Kernaufgaben beschränken, um dieses Prinzip durchzusetzen, scheut Koch keinen Konflikt.

Mit einer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, die von Kirchen und Gewerkschaften als ausländerfeindlich kritisiert wurde, kam er 1999 an die Macht. Gegen den Widerstand der Opposition setzte er in Hessen durch, dass nur Kinder eingeschult werden, die die deutsche Sprache beherrschen. Die Vorlaufsprachkurse für die Fünfjährigen, anfangs als Zwangsgermanisierung kritisiert, gelten inzwischen freilich als Modell auf dem Weg zur Integration von Migrantenkindern, auch bei Sozialdemokraten.

Und nun eine nächste Amtszeit? Es gibt ein paar Dinge, die weniger gut gelaufen sind. Kochs ambitionierte Bildungspolitik mit verschärften Versetzungsregeln, zentralen Abschlussprüfungen und der Kürzung der gymnasialen Mittelstufe um ein Jahr hat Lehrern, Eltern und Schülern viel zugemutet. Selbst ein Drittel der CDU-Wähler schätzt seine Bildungspolitik als „eher schlecht“ ein. Kochs Stellvertreterin, Kultusministerin Karin Wolff, hat zuletzt Konservative und Liberale gleichzeitig irritiert: Ihr Plädoyer, im Biologieunterricht die christliche Schöpfungslehre zu behandeln, brachte ihr viel Kritik ein. Und dann hat Wissenschaftsminister Udo Corts auch noch vorzeitig seinen politischen Rückzug angekündigt. Doch die SPD und ihre Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti müssen sich mit Slogans Mut machen, die man auf interne Papiere schreibt: „Frau gegen Mann, unsympathisch gegen sympathisch, glaubwürdig gegen unglaubwürdig“ – so will die SPD gegen Koch kämpfen. Der hält die SPD- Linke für ein politisches Leichtgewicht.

Was Koch aber selbst in Zukunft will, wohin ihn seine Ambitionen drängen – darüber rätseln selbst politische Freunde. Die K-Frage wird ihm seltener gestellt als früher. Seit der Bundestagswahl gilt er als treuester Vasall Angela Merkels, deren erste Kanzlerkandidatur er 2002 mit vereitelte. Will er tatsächlich weitere fünf Jahre als Ministerpräsident in Hessen regieren? Hofft er noch, irgendwann Nachfolger Merkels werden zu können? Oder strebt der gelernte Rechtsanwalt eine einflussreiche Position in der Wirtschaft an, wie manche in seiner Umgebung munkeln. „Ich bitte die Hessen um eine Vertragsverlängerung“, antwortet Koch auf solche Fragen nur.

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