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Politik: Rot-Grün: Radikalkur für Arbeitsmarkt

Koalition will Hartz-Konzept eins zu eins umsetzen / Meisterpflicht fällt / 3,94 Millionen ohne Job

Berlin. Wenn Wolfgang Clement (SPD) das neue Superministerium für Arbeit und Wirtschaft übernimmt, sind 3,94 Millionen Menschen arbeitslos. Das sind 198 800 Erwerbslose mehr als vor einem Jahr und ist damit der höchste September-Stand seit fünf Jahren. Clement sagte, man wolle bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit „endlich aus der Routine herauskommen“. SPD und Grüne einigten sich am Dienstag darauf, das Hartz-Konzept „eins zu eins“ umzusetzen, sagte Grünen-Chef Fritz Kuhn. Außerdem will die Regierung die Meisterpflicht für Handwerker mittelfristig abschaffen und Existenzgründer von IHK-Beiträgen freistellen.

Von Cordula Eubel

und Antje Sirleschtov

Das Hartz-Konzept zur rascheren Vermittlung Arbeitsloser soll im November in den Bundestag eingebracht und spätestens im März 2003 als Gesetz in Kraft treten. Eine zentrale Aufgabe der Regierung werde es sein, die Schwarzarbeit in Deutschland zu bekämpfen, sagte Kuhn. Minijobs in Haushalten bis zu einer Grenze von 500 Euro sollen schon von März an unbürokratisch mit einer zehnprozentigen Sozialabgabe möglich werden. Die Koalition hofft, so zahlreiche nicht angemeldete Beschäftigungsverhältnisse zu legalisieren. Im Frühjahr solle außerdem überprüft werden, ob die derzeit gültige Geringfügigkeitsgrenze von 325 Euro auch für andere Branchen angehoben werde. Dagegen hatte sich die SPD zunächst gewehrt.

Bei ihrer fünften Koalitionsrunde verständigten sich SPD und Grüne auf eine stärkere Unterstützung von Unternehmensgründungen und Mittelstand. „Es muss ins Bewusstsein der Menschen kommen, dass wir mehr Unternehmer brauchen“, sagte SPD-Fraktionschef Franz Müntefering. Die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die Deutsche Ausgleichsbank (DtA) sollen „bis Ende 2003“ zu einem Förderinstitut verschmelzen. Die geplante Abschaffung der Meisterpflicht soll schrittweise erfolgen. „Wir wollen das nicht schlagartig öffnen“, sagte Müntefering. In einem Übergangszeitraum sollen Gesellen jedoch schon jetzt Handwerksbetriebe übernehmen können, wenn sie einen Meister einstellen.

Die Grundsatzabteilung, in der auch der Jahreswirtschaftsbericht erstellt wird, soll vom Finanzministerium ins neue Ministerium für Arbeit und Wirtschaft zurückverlegt werden, sagte Müntefering. Finanzminister Hans Eichel muss diese Kompetenz, die sein Vorgänger Oskar Lafontaine in sein Ministerium geholt hatte, an Clement abgeben. Über die Kompetenzverteilung für Energiepolitik soll eine Arbeitsgruppe beraten. Clement sagte in der ARD: „Zu Wirtschaft gehört auch Energie.“ Der Chef der Gewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie, Hubertus Schmoldt, warnte vor einem Bedeutungsverlust der Arbeit in Clements Ministerium: „Arbeit darf nicht nur unter Marktgesichtspunkten gesehen werden.“

Ob der Sozialbereich des derzeitigen Arbeitsministeriums mit dem Gesundheitsressort vereint wird, ist noch nicht entschieden. Allerdings werden schon Kandidaten für dieses zweite Superministerium gehandelt. Neben Ulla Schmidt fiel auch der des nordrhein-westfälischen SPD-Vorsitzenden und Sozialministers Harald Schartau, erfuhr der Tagesspiegel aus Verhandlungskreisen.

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