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Politik: Rot-Grün sucht einen Ausweg

Die SPD bietet den Grünen einen Kompromiss an - Rüstungsexporte sollen künftig stärker von der Einhaltung der Menschenrechte abhängenRobert Birnbaum Im Koalitionsstreit um die Panzer-Lieferung an die Türkei hat sich am Montag ein Kompromiss abgezeichnet. Bundeskanzler Schröder und die SPD-Spitze wollten den Grünen am Abend im Koalitionsgespräch anbieten, die Richtlinien für Rüstungsexporte schärfer zu fassen.

Von Robert Birnbaum

Die SPD bietet den Grünen einen Kompromiss an - Rüstungsexporte sollen künftig stärker von der Einhaltung der Menschenrechte abhängenRobert Birnbaum

Im Koalitionsstreit um die Panzer-Lieferung an die Türkei hat sich am Montag ein Kompromiss abgezeichnet. Bundeskanzler Schröder und die SPD-Spitze wollten den Grünen am Abend im Koalitionsgespräch anbieten, die Richtlinien für Rüstungsexporte schärfer zu fassen. Am Beschluss des Bundessicherheitsrats, der Türkei einen Leopard-II zu Tests zu überlassen, mochten der Kanzler und die SPD aber trotz der Proteste des Koalitionspartners nicht rütteln lassen. In Kreisen führender Grünen-Politiker hieß es, ein Vorschlag, Waffenexporte deutlicher als bislang geplant an die Einhaltung der Menschenrechte zu koppeln, könnte die Lage entspannen. Grünen-Bundesgeschäftsführer Bütikofer hatte noch zuvor betont, die Grünen seien "nicht um jeden Preis" in der Koalition.

Die Partei werde jetzt Kräfte mobilisieren, um Panzerlieferungen in die Türkei zu verhindern. Der stellvertretende Regierungssprecher Bela Anda betonte, die Regierung nehme die entstandene Situation ernst. Notwendig sei allerdings auch eine "an der Wirklichkeit orientierte Debatte". Es gehe jetzt um nichts mehr als die Lieferung eines Panzers zu Testzwecken. Über das gesamte Geschäft werde, "wenn überhaupt", erst im Jahr 2001 entschieden. Die Türkei will bis zu 1000 Kampfpanzer kaufen und sich nach der Testserie zwischen mehreren Angeboten entscheiden.

Das SPD-Präsidium billigte nach Angaben des designierten Generalsekretärs Franz Müntefering bei einer Gegenstimme das bisherige Vorgehen der Regierung. Die Lieferung eines Test-Panzers sei verantwortbar und widerspreche auch nicht dem Koalitionsvertrag. Müntefering mahnte einen "pfleglichen Umgang" miteinander in der Koalition an. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) bekräftigte in der Sitzung ihr grundsätzliches Nein zu dem Panzer-Geschäft. Sie war damit ebenso wie der grüne Außenminister Joschka Fischer schon vorige Woche im Bundessicherheitsrat überstimmt worden.

Grünen-Bundesgeschäftsführer Bütikofer und die Grünen-Wehrexpertin Angelika Beer forderten in einem gemeinsamen Papier, Beschlüsse über Waffenexporte künftig nur noch einstimmig zu fassen. Im Kanzleramt wurde das aber abgelehnt. Ein Veto-Recht eines Ministers im Bundessicherheitsrat widerspreche der Geschäftsordnung der Regierung und stehe im Widerspruch zur Richtlinienkompetenz des Kanzlers. Außerdem seien bisher bei allen vier Sitzungen des von der rot-grünen Koalition wiederbelebten Gremiums Minister überstimmt worden. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Claudia Roth (Grüne), betonte aber, es sei nicht sinnvoll, Fragen von solch großer außenpolitischer Bedeutung gegen das Votum des Außenministers zu entscheiden. Für die Grünen gehe es hier zudem nicht um eine Lappalie, sondern um eine "zentrale Frage von Glaubwürdigkeit der deutschen Menschenrechtspolitik".

Bütikofer, Beer und Roth forderten eine Beteiligung des Parlaments an der Neufassung der Waffenexport-Richtlinien. Roth sagte, Waffen dürften nicht in Länder ausgeführt werden, in denen internationale Organisationen Menschenrechtsverletzungen festgestellt hätten oder in denen es keine zivile Kontrolle des Militärs gebe. Eine Staatssekretärsrunde beriet am Montagnachmittag über die Neufassung der Exportrichtlinien. Eine erste Version war nach Informationen aus der Regierung Mitte September auf Betreiben von Außenminister Fischer von der Tagesordnung des Kabinetts abgesetzt worden.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat unterdessen eine Unterschriftenaktion gegen die Lieferung von deutschen Leopard-II-Panzern an die Türkei gestartet. Diese Waffen gefährdeten den Frieden im Nahen Osten, hieß es in dem Aufruf, den die Menschenrechtsorganisation am Montag in Göttingen veröffentlichte. © 1999

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