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Politik: Rückendeckung für Saddam

Russland vereinbart ein Wirtschaftsabkommen mit dem Irak – an einem Sturz des Regimes hat Moskau kein Interesse

Von Elke Windisch, Moskau

An Selbstbewusstsein mangelt es dem irakischen Botschafter in Moskau nicht: Im Falle eines Krieges mit den USA werde Irak sich selbst schützen, sagt Abbas Chalaf. Militärische Hilfe durch Moskau, von der in Russland ohnehin niemand spricht, sei nicht er- forderlich, Bagdad, so der Diplomat, rechne vielmehr auf „umfassende moralische, politische und diplomatische Unterstützung“, um einen Überfall zu verhindern. Russland sei stets der wichtigste Partner des Irak gewesen und werde es auch bleiben.

Offiziell nahm seit der irakischen Invasion in Kuwait 1990 vor allem Obernationalist Wladimir Schirinowski, ein bekennender Freund von Diktator Saddam Hussein, die Interessen Moskaus an Euphrat und Tigris wahr. Doch das könnte sich schon Anfang September ändern. Dann nämlich soll in Bagdad eine Vereinbarung über wirtschaftliche Zusammenarbeit im Wert von 40 Milliarden US-Dollar unterzeichnet werden. Das aber setzt die Anwesenheit eines ranghohen Politikers voraus – russische Medien tippten sogar auf Premier Michail Kasjanow –, was den Beziehungen zwangsläufig eine neue Qualität verleiht.

Grundzüge des Abkommens, das nach Meinung von Botschafter Chalaf nicht gegen die UN-Sanktionen verstößt, wurden offenbar bereits beim Moskau-Besuch des irakischen Vizepremiers Tarik al Aziz Ende Januar festgezurrt. Dass der Deal erst jetzt publik wurde, ist für Beobachter alles andere als ein Zufall. Schließlich scheint derzeit ein US-Angriff gegen den Irak nur noch eine Frage der Zeit. Daher sollten, so der Tenor russischer Medien, nun Zeichen dafür gesetzt werden, dass Moskau einen Krieg gegen den Irak nicht so widerspruchslos hinnehmen würde wie die Militäraktion gegen Afghanistan. Immerhin hatten die Zentralasiaten mit Billigung Russlands Luftraum und Basen für die Anti-Terror-Operation für westliche Kontingente geöffnet. Sollte der Irak angegriffen werden, kommt es Bagdad vor allem darauf an, dass die Operation nicht durch ein UN-Mandat gedeckt wird und damit völkerrechtlich den Tatbestand der Aggression erfüllt. Dafür hat Saddam gute Karten: Russland kann als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates dessen Entscheidungen per Veto blockieren und dürfte, ebenso wie China, von diesem Recht im Ernstfall auch Gebrauch machen.

So weit darf es aus russischer Sicht allerdings gar nicht erst kommen. Schon beim Gezänk um die Rückkehr der UN-Waffeninspektoren mahnte Russland mehrmals zu Besonnenheit und verwies darauf, dass die Möglichkeiten für eine politische Lösung noch längst nicht ausgeschöpft seien.

Eine militärische Operation würde wohl das Ende Saddams bedeuten. Daran ist Moskau nicht interessiert. Die Isolierung Bagdads sichert den international nur bedingt konkurrenzfähigen russischen Unternehmen aus der verarbeitenden Branche eine Art Monopol. Zudem wurde die irakische Infrastruktur in den Achtzigern vor allem mit sowjetischer Hilfe aufgebaut. Daraus resultieren auch die rund sieben Milliarden Dollar Altschulden, mit deren Abzahlung Bagdad erst nach dem Fall des Embargos beginnen kann. Vor allem deshalb bearbeiteten Moskaus Diplomaten ihre irakischen Kollegen hinter den Kulissen immer wieder, sich bei der Rückkehr der UN-Inspektoren kooperativ zu zeigen.

Der Irak ist für Moskau derzeit auch die einzig sichere politische Bank im Nahen Osten, einer Region, über die die Sowjetunion im übertragenen wie im Wortsinne lange die Lufthoheit besaß. Angesichts der Widerstände in der arabischen Welt gegen US-Kriegspläne könnte russische Unterstützung für Bagdad helfen, die unter Präsident Jelzin verlorene Position in der Region zurückzugewinnen.

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